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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas F. Monteleone
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wenn man et­was er­klä­ren woll­te, das an­dern­falls un­er­klär­lich blieb. Das ist doch ver­ständ­lich, oder?“
    „Ja“, sag­te Va­ri­an. „See­leu­te be­rau­schen sich im­mer noch an al­ten Er­zäh­lun­gen, Bal­la­den und Shan­ties, die von fremd­ar­ti­gen Zei­ten kün­den.“
    „So ist es“, sag­te Kar­ta­phi­los. „Die Macht der My­then ist nie ver­ges­sen wor­den, selbst von sol­chen Leu­ten nicht, die sich weit über sol­chen Din­gen ste­hend dün­ken. In spä­te­ren Zei­ten be­nutz­ten die Men­schen My­then, um die in­ne­ren Ge­heim­nis­se des Ver­stands zu er­klä­ren – als ei­ne Me­ta­pher für die Sub­stanz mensch­li­cher Be­gier­den und Ängs­te. Der Glau­be hält sich im­mer noch – trotz der Ab­sur­di­tät ei­ni­ger na­tur­wis­sen­schaft­li­cher De­tails in den al­ten Le­gen­den –, daß in all die­sen Ge­schich­ten ein Stück­chen Wahr­heit steckt. Wahr­hei­ten, die Kun­de von den ele­men­ta­ren Aspek­ten mensch­li­chen Ver­hal­tens ge­ben. Durch ei­ne Sa­ge kann ein Mensch un­ter Um­stän­den ler­nen, warum er so ist, wie er ist, und warum er das tut, was er tut.“
    „Ich glau­be, mir ist jetzt ei­ni­ges kla­rer ge­wor­den“, sag­te Tes­sa. „Aber was hat das mit dem Wäch­ter zu tun?“
    „Auch hier könn­te ich falsch lie­gen, aber al­lem An­schein nach hat der Wäch­ter, nach­dem ihm so lan­ge der Kon­takt mit den Men­schen ge­fehlt hat, die Fä­hig­keit ver­lo­ren, frei mit sei­nen Schöp­fern kom­mu­ni­zie­ren zu kön­nen. Den Grund für die­se Fehl­funk­ti­on ken­ne ich lei­der nicht. Viel­leicht kön­nen wir das ge­sam­te Pro­blem lö­sen, wenn wir ei­ne Ant­wort dar­auf ge­fun­den ha­ben. Mei­ner Mei­nung nach hat der Wäch­ter ver­sucht, et­was über das mensch­li­che Ver­hal­ten zu ler­nen, in­dem er euch in my­thi­sche Sze­na­ri­os ver­setzt hat, in­dem er euch ge­zwun­gen hat, sol­che Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, wie das die Men­schen der An­ti­ke schon tun muß­ten. Da der Wäch­ter aus­ge­zeich­ne­te Kennt­nis­se über al­le My­then hat, ist ihm da­mit ein ‚Leit­fa­den’ an die Hand ge­ge­ben – al­so ein The­men­ka­ta­log mensch­li­cher Ver­hal­tens­wei­sen –, und mög­li­cher­wei­se ver­gleicht er eu­re Re­ak­tio­nen mit de­nen der my­thi­schen Ori­gi­nal­cha­rak­tere.“
    „Das hört sich nicht schlecht an“, sag­te Tes­sa, „aber da­mit ist noch im­mer nicht er­klärt, warum der Wäch­ter so han­delt.“
    Kar­ta­phi­los konn­te nur be­dau­ernd die Schul­ter he­ben. „Das weiß ich auch nicht. Ich kann da nur Ver­mu­tun­gen an­stel­len. Ei­nes kön­nen wir aber mit Si­cher­heit fest­hal­ten: Die My­then sind vom Wäch­ter nur als Me­ta­pher für et­was weitaus Rea­le­res, weitaus Wich­ti­ge­res zu ver­ste­hen …“
    „Was, zum Krell noch mal, ist ei­ne Me­ta­pher?“ woll­te Stoor wis­sen. Er ball­te die Fäus­te und öff­ne­te sie wie­der, wäh­rend er – ganz oh­ne Zwei­fel ir­ri­tiert – mit lan­gen Schrit­ten durch das Zim­mer stapf­te.
    Da ihm aber nie­mand ant­wor­te­te, schi­en er die Fra­ge plötz­lich auch nicht mehr so wich­tig zu neh­men. Er wuß­te oh­ne­hin, daß die ge­naue De­fi­ni­ti­on die­ses Fremd­worts si­cher nicht der Schlüs­sel für die Flucht aus der Zi­ta­del­le sein wür­de. Da­mit ver­küm­mer­te sei­ne Fra­ge zu ei­ner rein rhe­to­ri­schen Äu­ße­rung, zu ei­ner blo­ßen Stel­lung­nah­me von Sei­ten Stoors.
    „Ach, ver­flucht, was sit­zen wir ei­gent­lich noch hier her­um und re­den?“ fuhr Stoor nach ei­ner Wei­le fort. „Warum set­zen wir nicht das Ding in dei­nem Mund ein, um hier raus­zu­kom­men?“
    Va­ri­an trat einen Schritt nach vor­ne. „Ei­gent­lich hat Stoor recht. Wir sit­zen hier schon seit ei­ni­ger Zeit als Ge­fan­ge­ne – dir wird es wohl nicht als sehr lan­ge vor­kom­men, aber uns hat es ge­reicht.“
    „Ganz be­son­ders dann, wenn man nicht die ge­rings­te Ah­nung hat, wann es hier wie­der hin­aus­geht“, füg­te Tes­sa hin­zu.
    Kar­ta­phi­los ant­wor­te­te nicht di­rekt, da er zu­vor noch ei­ni­ge Mög­lich­kei­ten durch­den­ken muß­te. „Ich ver­ste­he ja eu­ren Wunsch, hier hin­aus zu wol­len“, sag­te er

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