Zitadelle des Wächters
kamen wir in dieses Grenzkaff, und einer von den Trappern sagte mir, ein Mönch oder so was Ähnliches sei durch den Ort gekommen und hätte nach mir gefragt! Na, hab’ ich mir gedacht, das ist ja vielleicht ’n Ding – denn dort draußen gibt es kaum einen, der weiß, daß ich dort herumspaziere oder was ich treibe. Und ganz sicher gibt es keine Mönche, die mich kennen. Ich bin nicht gerade sonderlich religiös veranlagt.“ Er hielt inne, richtete den Blick nach oben und machte nachlässig das Sternzeichen auf seiner Brust. Alle lachten, und der Alte wartete, bis sich das Gelächter gelegt hatte, bevor er mit seiner Geschichte fortfuhr.
„Ein paar Tage sind ins Land gezogen, und Raim und ich haben es uns gutgehen lassen, gut gefuttert und so weiter. Ich horche so’n bißchen herum und kriege mit, daß der Bursche, der mich sucht, Cartor Filius heißt. Er sollte angeblich ein Bote von meinem Brötchengeber Marduk, dem Salasan von Borat, sein. Na, da war ich mehr als überrascht. Wir zwei halten uns Tausende Kas von Avista auf – so gut wie unmöglich, einen dort ausfindig zu machen –, und Marduk sollte mir eine Nachricht geschickt haben? Verrückt, nicht wahr? Also habe ich mir gesagt, warte mal in dem Dorf eine Weile, vielleicht kreuzt der Bursche ja wieder auf. Und eines ist mal klar wie dicke Tinte – ich war neugierig, was der Bursche mir zu sagen hatte.“
Varian hörte jetzt der Geschichte nur noch mit einem Ohr zu. Er wußte aber, daß der Alte nicht log. Das konnte kein Zufall sein: Kartaphilos – Cartor Filius. Nein, das mußte der gleiche Mann gewesen sein, das gleiche Ding. Was hatte das nur zu bedeuten? Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte Varian, daß er die Kontrolle über den Lauf der Dinge verlor, daß er vielleicht zum Spielball von Mächten geworden war, die größer waren, als er das begreifen konnte.
„… und es ist Nacht, versteht ihr? Raim pennt, und ich halte Wache. Nichts außer Kälte und Dunkelheit um unser Zelt herum. Und plötzlich höre ich irgendwo dort draußen etwas. Ich habe eine 9-Millimeter-Pistole, und die kann einem ein Loch so groß wie ’ne Bratpfanne in den Schädel pusten, kapiert? Also hole ich sie raus und halte sie in die Dunkelheit. Ich schieße immer erst und frage später. Gerade will ich ’n paar Kugeln in die Richtung feuern, aus der das Geräusch gekommen ist, da höre ich doch meinen Namen …’ne richtig formelle Begrüßung, so mit allem Drum und Dran, als wäre ich im Haus des Salasans: ‚Stoor von Hadaan, seid gegrüßt. Ich komme in Frieden! 4 Also, ich sage ihm, er solle erst mal ins Licht treten. Und da kommt ein alter Mann in einer Kutte, die Kapuze auf dem Kopf, und ich denke, mich laust der Affe, das ist tatsächlich ein Mönch. ‚Cartor Filius?’ frage ich ihn, und er nickt. Also bringe ich ihn zum Zelt und frage ihn, ob er etwas zu trinken haben möchte, aber er will nichts. Wir reden so ’ne Weile herum, bis ich ihn frage, wie er mich hier gefunden hat. Aber er sagt nichts Konkretes, nur, er habe seine besonderen Methoden’. Ich denke mir, der will nicht über Geschäftsgeheimnisse plaudern und lasse ihm deshalb seinen Willen. Dann erklärt er mir, daß er eigentlich gar nicht für Marduk arbeitet. Das hab’ ich mir auch schon vorher gedacht, wollte es ihm aber nicht sagen …“
Der alte Mann legte wieder eine Pause ein, um aus seinem Glas zu trinken. Varian beobachtete die Gesichter der Zuhörer. In ihnen spiegelte sich alles wider: Unglauben, Belustigung, höchste Aufmerksamkeit und die Ignoranz von Betrunkenen. Trotzdem hörten alle zu.
„… und dann passiert ein tolles Ding. Ich weiß, das hört sich jetzt an, als hätt’ ich mir das alles aus den Fingern gesaugt. Aber jetzt spitzt mal die Ohren: Ich hör wieder was in der Dunkelheit, ’n paar dicke Äste knicken wie Streichhölzer ab – was ganz Großes muß da draußen herumlaufen, und zwar ziemlich schnell. Doch bevor ich meinen 9-Millimeter-Revolver hochreißen kann, fliegt ein riesiger Schatten aus dem schwarzen Wald.
Der alte Cartor steht auf und packt das Biest genau an der Brust. Es war ein Cragor, der größte und gemeinste Cragor, den ich je gesehen habe, mindestens drei Ems lang! Schlägt auf den alten Cartor mit seinen Krallen ein und will ihn mit den Fängen zu Mus machen. Ich dachte, das Biest reißt den Alten in Stücke, bevor er zu Boden fällt. Aber das war gar nicht so.
Der Cragor liegt also auf ihm und zerrt und reißt, wie das solche Biester
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