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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Angst. Die Vorstellung, dass er nach ein paar Wochen wieder zurückkäme an die Front und dass sie alle weg wären. Sommer, Hahn, Mücke, Egner, sogar Rettel, um den es natürlich nicht wirklich schade wäre. Dass sie alle tot wären und neue Männer an ihrer Stelle, mit denen er dann kämpfen müsste, bis es ihn selbst auch erwischte.
    Nein, es war besser, er blieb hier, bis die Sache endlich ausgefochten war, im wahrsten Sinne des Wortes.
    »Der Krieg kann nun nicht mehr lange andauern«, sagte er zu Sommer. »Hier haben alle gründlich die Nase voll, und drüben ist es doch nicht anders.«
    Die Front hatte sich ein Stück nach Westen verschoben. Sie waren zu sechst unterwegs ins nächste Dorf, aus dem die Bewohner geflohen waren. Häuser und Proviant sichern, bis der Rest der Kompanie nachrückte.
    »Wenn es nach den Soldaten ginge, wäre jeder Krieg schnell vorbei«, meinte Sommer nur. »Aber wer fragt uns schon? Der Krieg wird sich noch lange hinziehen.«
    »Das ist doch Unsinn!«
    »Kein Unsinn. Ich weiß es aus sicherer Quelle.«
    »Wie meinst du das?«
    Sommer lachte leise. »Es wurde mir prophezeit.«
    »So etwas Hirnverbranntes. Du bist doch nicht abergläubisch.«
    Sommer zuckte mit den Schultern und antwortete nicht.
    »Oder etwa doch?«
    Sommer machte jetzt so große Schritte, dass er sich vom Rest der Gruppe absetzte, ohne es recht zu bemerken.
    »Damals hab ich nicht daran geglaubt, aber jetzt …« Er machte eine weite Handbewegung über das kahle, kraterdurchsetzte,von Granaten aufgerissene Feld, das sich zu beiden Seiten des Weges ausbreitete.
    »Und wie lange geht es noch, dieser Prophezeiung nach?« Ludwig versuchte seiner Stimme einen sarkastischen Klang zu geben, aber stattdessen hörte er sich ängstlich an.
    »Ich habe damals nicht daran geglaubt, also habe ich auch nicht genauer nachgefragt«, sagte Sommer mit düsterer Stimme. Ludwig nickte und schwieg.
    »Noch lange«, sagte Sommer.
    Das Dorf lag auf einem sanften grünen Hügel inmitten der zerschossenen, zerwühlten Felder. Es war im Grunde genommen kein Dorf, nur vier Häuser, ein paar Ställe und eine Scheune. Ein Misthaufen, auf dem ein dürrer Hahn stand, als gehörte er ihm. Sie durchsuchten die Gebäude zu zweit, einer trat die Tür ein, dann stürmten sie nacheinander hinein, die Gewehre im Anschlag. Es war aber keiner mehr da, auch die Tiere hatten sie mitgenommen, nur eine orangefarbene Katze räkelte sich auf einem Fensterbrett in der Sonne. »Verdammte Scheißkerle, nicht einmal ein paar alte Suppenhühner haben sie uns da gelassen«, schimpfte Egner.
    Dann aber stießen Sommer und Ludwig in einem der Häuser auf einen Schrank voller Lebensmittel. Wurstdosen, eingelegte Gurken und Marmelade, Eier, Kartoffeln, Sauerkraut, Apfelmus und Mettwürste. Sie standen davor und glotzten und fanden beide keine Worte, so überwältigt waren sie. So viel Essen, nachdem sie wochenlang von verschimmeltem Brot und hartem Käse gelebt hatten. Bei dem Anblick wurde einem fast schlecht vor Gier.
    »Wenn wir warten, bis die anderen da sind, kriegen wir nichts mehr ab«, sagte Flauber.
    Sie hatten mindestens vier Stunden Zeit, bis der Rest der Kompanie nachrückte. Mücke und Flauber deckten den Tisch, Egner setzte Wasser auf für die Kartoffeln, Sommer schnitt Brot. Hahn fand eine Dose mit Kaffee ganz hinten im Schrank.
    Während die Kartoffeln kochten, begannen sie zu essen. Niemand redete, man griff sich mit der Linken ein Stück Brot,mit der Rechten Wurst und dachte gleichzeitig darüber nach, was man als Nächstes essen würde. »Langsam«, warnte Sommer einmal. »Wenn ihr es zu sehr in euch hineinschlingt, ergeht es euch hinterher schlecht.«
    Aber sie beachteten ihn gar nicht. Er beachtete sich selbst nicht.
    »Man muss sich das nur einmal vorstellen«, seufzte Egner fast eine Stunde, nachdem sie mit dem Essen begonnen hatten. »Diese Leute leben wie die Maden im Speck, und wir liegen da draußen im Dreck und hungern uns zu Tode.«
    »Verdammter Krieg«, sagte Mücke. »Verdammter Scheißkrieg.«
    »Hör auf zu jammern«, meinte Egner. »Hast dich doch freiwillig gemeldet. Du konntest doch gar nicht schnell genug Rekrut werden.«
    »Du etwa nicht?«
    »Ich beklage mich auch nicht.«
    »Ach, halt doch dein dummes Maul!«, fuhr ihn Mücke an.
    Dann begann Hahn zu weinen. Er weinte lautlos, so dass es zuerst keinem auffiel. Erst als er schluchzend nach Atem rang, merkten sie es.
    »Was ist denn nun passiert?«, fragte Flauber erschrocken.
    Hahn

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