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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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konnte aber gar nicht antworten. Er weinte und weinte und hörte dabei nicht auf zu essen, seine Tränen liefen über seine vollen, kauenden Backen und tropften neben seinem Teller auf den Tisch.
    »Nun hör doch schon auf!«, sagte Sommer. »Jetzt haben wir es doch einmal gut hier. Da musst du doch nicht flennen.«
    »Das ist es ja gerade«, heulte Hahn, den Mund voller Kartoffeln und Butter. »Ich sitze hier und schlage mir den Bauch voll, aber meine Kinder haben nichts zu fressen. Und meine Frau treibt es mit diesem Lübke.«
    Später saßen Ludwig und Sommer draußen im Hof und rauchten Zigaretten aus getrocknetem Buchenlaub, versetzt mit einer Prise Tabak. Ludwigs Bauch war voll und hart und tat weh, genau wie Sommer gesagt hatte. Er lehnte sich mitdem Rücken gegen die Hauswand und streckte die Beine weit von sich – das machte es ein wenig besser.
    »Hast du das mit der Prophezeiung vorhin ernst gemeint?«, fragte er Sommer, der sich neben ihm ebenfalls lang gemacht hatte.
    »Sicher.«
    »Du wirkst aber gar nicht so, als ob du etwas auf so etwas gibst.« Er dachte an Maria, wie sie mit ihm ins Wahrsagerzelt gegangen war, in jener ersten Nacht, die sie miteinander verbracht hatten. Sie war ohnmächtig geworden, weil sie etwas gesehen hatte, seinen Tod oder sein Verderben, sie hatte ihm nie erzählt, was es gewesen war. Vielleicht war es das hier, dachte er, während er seinen Zigarettenstummel zu Boden warf und mit der Ferse austrat. Vielleicht hat sie den Krieg gesehen und mich mittendrin. Schlimmer geht es jedenfalls nicht.
    »Wie wirke ich denn dann auf dich?«
    »Abgeklärt. Du hältst nicht viel von Übersinnlichem. Glaubst du an Gott?«
    Was redete er denn da? Glaubst du an Gott? Das ging ihn doch nichts an, was Sommer glaubte oder nicht glaubte.
    »Gott!« Sommer spuckte das Wort aus, als ob er von Rettel spräche. »Hör mir bloß auf damit! Schau dich doch einmal um, was hier los ist, da vergeht einem doch wohl jeglicher Glaube.«
    Ludwig zuckte mit den Schultern. Er dachte an seinen Vater, was er geantwortet hätte. »Der Krieg ist Menschensache, das kannst du doch nicht Gott in die Schuhe schieben.«
    Zu seiner Überraschung hatte er den Satz laut ausgesprochen.
    »Ja«, sagte Sommer kalt. »Ich kenne all diese Argumente. Von der Entscheidungsfreiheit, die jeder Einzelne hat und haben muss, das Gute und das Böse zu tun. Von Gottes unendlicher Liebe und vom Jenseits, in dem alles wieder gut wird. Wir müssen geduldig sein.«
    »Aber du glaubst nicht daran.«
    »Ich glaube an gutes Essen und Trinken und dass ich meine verdammten Läuse loswerden will und dass wir diesen verfluchten Krieg überleben müssen, irgendwie.«
    »Und an diese Prophezeiung. Daran glaubst du auch.«
    Sommer drückte seine Zigarette an der Treppenstufe aus und holte sein Etui wieder aus der Uniformtasche.
    »Daran glaube ich auch. Hätte ich nur darauf gehört.«
    »Es geht um eine Frau«, sagte Ludwig, obwohl er sich nicht ganz sicher war. Vielleicht irrte er sich auch, weil ihn die Sache so an Maria erinnerte.
    »Es geht immer um eine Frau.« Sommer lachte und rauchte. Die orangefarbene Katze, die bis jetzt auf ihrer Fensterbank gelegen hatte, dehnte sich, dann sprang sie mit einem eleganten Satz auf den Hof und kam mit langsamen Schritten auf sie zu. Als Sommer seine Hand nach ihr ausstreckte, kletterte sie auf seinen Schoß und ließ sich von ihm streicheln. Ludwig musste sofort wieder an Lilly denken und schauderte.
Es hat immer mit einer Frau zu tun.
    »Sie wollte ihr ganzes Leben aufgeben und mit mir etwas Neues beginnen«, murmelte Sommer, als spräche er mit der Katze. »Aber ich konnte das nicht.«
    »Deshalb hast du dich gemeldet? Du bist weggelaufen?«
    Sommer zuckte mit den Schultern.
    »War sie es, die dir den Krieg vorausgesagt hat?«, fragte Ludwig.
    »Sie hatte es von der Muttergottes, die ihr erschienen ist. Wie der heiligen Bernadette in Lourdes.« Sommer lachte wieder, kurz und scharf, so dass die Katze von seinem Schoß sprang. Mit hoch erhobenem Schwanz stolzierte sie über Ludwigs ausgestreckte Beine, rieb sich an seinen Waden, zärtlich und fordernd zugleich, aber Ludwig wusste inzwischen zu viel von Katzen, um sich darauf einzulassen.
    Sommer und eine religiöse Fanatikerin mit spirituellen Wahnvorstellungen – schwer vorstellbar, dachte Ludwig. Sommer schien das Gleiche zu denken, jedenfalls schüttelte er langsam den Kopf, während er sich wieder eine Zigarette anzündete.
    Vielleicht wunderte er

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