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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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Zeichen. Die 1 stand für Rindsrouladen mit Kartoffeln, 2 für Blutwurst mit Knödeln, 3 für Gulaschsuppe und immer so weiter. Ein Kreuz bedeutete Perlwein, ein Stern Moselwein. Ein Kreis Altbier. So ging alles schneller und das war entscheidend. Denn die Rheinterrasse war ein modernes Restaurant. Eine Ess-Fabrik. Und wir Serviermädchen sind die Maschinen, dachte Mira.
     
    Als er nachmittags auf der Terrasse auftauchte, erkannte sie ihn zuerst nicht wieder. Er trug einen Strohhut, der einen Schatten auf sein Gesicht warf, so dass man den dünnen Schnurrbart auf der Oberlippe kaum sah. Sein Lächeln kam ihr vertraut vor, aber bevor sie sich erinnern konnte, wo sie es schon einmal gesehen hatte, hatte sie seine Bestellung schon aufgenommen und war zum nächsten Tisch geeilt.
    »Mira«, sagte er, als sie ihm sein Besteck brachte, Messer, Gabel, Löffel und die Serviette. »Was ist, sind Sie wieder verstummt?«
    »Franz!« Sie spürte, wie das Blut in ihrem Gesicht pulsierte. War er ihretwegen hierher gekommen?
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie hier arbeiten«, erwiderte er, als habe sie die Frage laut ausgesprochen.
    »Ich bediene hier«, sagte Mira. Wieder so ein dummer Satz, es war ja offensichtlich, dass sie hier bediente und nicht seiltanzte oder jonglierte. Ihre Wangen glühten jetzt und sein Grinsen wurde noch breiter.
    »Und ich esse hier«, meinte er. »Wie sich das trifft.«
    »Ich muss nun aber wieder …« Sie machte eine rasche Kopfbewegung in Richtung Küche. Während sie zurückging, konnte sie seine Blicke auf ihrem Körper spüren. Es gefiel ihr nicht, dass er hierher kam und sie so ansah, wie er sie ansah, aber was konnte sie machen? Die Rheinterrasse war ein öffentlicher Ort, und er war hier Gast, und der Gast ist König, sagte Herr Kiesemann immer.
    »Kannst du meine Tische auf der Terrasse übernehmen, dann mache ich für dich hier drinnen weiter?«, fragte sie Amelie, die sie bei der Essensausgabe traf.
    »In einer halben Stunde können wir tauschen. Aber den Tisch am Fenster bediene ich noch zu Ende, da gibt’s ein saftiges Trinkgeld, ich kann es förmlich riechen«, meinte Amelie, während sie die Augen nicht von ihren nichts ahnenden Opfern auf der anderen Seite des Restaurants ließ. »Was ist los?«, fragte sie, als Mira seufzte. »Hast du Ärger mit einem Gast?«
    »Schon gut.« Mira nahm einen Teller mit Rindfleischsuppe in Empfang und rupfte den dazugehörigen Bestellzettel vom Nagel an der Wand. »Es ist nur ein lästiger Bekannter.«
    »Ignorier ihn einfach.« Amelie blinzelte ihr aufmunternd zu.
    Nein, beschloss Mira, sie würde diesen Franz nicht ignorieren, sie würde der Sache jetzt ein Ende bereiten, ein für alle Mal, auch wenn die Rheinterrasse dadurch einen Gast verlor. Man musste sich schließlich nicht alles bieten lassen. »Hören Sie, Franz«, begann sie entschlossen, während sie den Teller vor ihm abstellte.
    »Otto«, sagte Franz und lächelte.
    »Wie bitte?«, fragte Mira irritiert. »Nennen Sie mich Otto«, sagte Franz.
    »Warum soll ich Sie Otto nennen? Heißen Sie denn nicht Franz?«
    »Franz ist mein Nachname. Also entweder
Herr
Franz oder Otto, so bin ich getauft. Otto ist mir allerdings lieber.«
    Ihr Gesicht war heißer als heiß. Es dampfte förmlich vor Hitze wie die Suppe auf dem Tisch.
    »Also, was gibt es?«, fragte Franz oder vielmehr Otto.
    »Kommen Sie nicht mehr hierher«, stieß Mira hervor. Dann drehte sie sich um und ging einfach weg. Ihr Gesicht glühte, ihr Herz raste, ihre Knie zitterten, sie war eine Inkarnation der Lächerlichkeit.
    Als sie abends das Restaurant verließ, lehnte er am Sockel des Obelisken auf dem Vorplatz und wartete auf sie. »Nur eine Frage, dann sind sie mich los. Ich verspreche es«, hörte sie ihn rufen, während er mit halb erhobenen Händen auf sie zuging wie auf ein scheues Pferd. »Ich würde Ihre Freundin Gudrun gerne wieder sehen, aber ich weiß nicht, wo ich sie finden kann.«
    Gudrun also, dachte sie und spürte zu ihrer Verwunderung keine Erleichterung, sondern einen Stich in ihrer Brust. Er war an Gudrun interessiert, nicht an ihr. Das war natürlich nichts Ungewöhnliches, es war niemals anders gewesen. Ob Pressmann oder Otto Franz, die Männer drehten sich nach Gudrun um und wollten sie kennenlernen, nach Mira schaute keiner.
    «Aber Sie wissen doch, wo Gudrun wohnt. Letzte Woche haben Sie uns doch nach Hause gebracht.«
    Sein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. »Ich habe Ihnen die Droschke gerufen, aber

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