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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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arbeitete, hatte sie beinahe täglich Kopfweh. Es war, als ob sich die kreisrunden goldenen Wände, die schweren roten Samtvorhänge vor den hohen Fenstern, die riesige goldene Kuppel – als ob sich der ganze Saal mit seinem sakralen Protz um Mira zusammenschlösse, um sie langsam zu zerquetschen. Am schlimmsten war es in der Mitte des Raumes, unter dem weiß-goldenen Lüster. Wann immer sie darunter hindurch musste, beschleunigte sie ihre Schritte. Sie spürte ihn dennoch wie eine Bedrohung über ihrem Haupt.
    Ich kann es gar nicht begreifen, wie einer freiwillig hierher kommen kann, um zu frühstücken, dachte sie, während sie einem Herrn ein Kännchen Kaffee servierte.
    »Vielen Dank, die Dame«, sagte der Mann, er blickte dabei nicht auf, sondern kritzelte in einem Notizbuch herum. Mira warf im Weitergehen einen Blick über seine Schulter und blieb abrupt stehen. Was zeichnete der Kerl denn da! Sie sah einen Mond, der sie aus spiralförmigen Pupillen anstarrte, eine lächelnde Kokosnuss in einem Kochtopf und eine Palme, auf derZitronen wuchsen. Jedes einzelne Detail der abstrusen Skizze war mit größter Kunstfertigkeit und Sorgfalt ausgeführt, »Man nehme«, sagte der Herr, immer noch ohne aufzuschauen, »eine gut ausgereifte Zitrone und koche sie nicht zu lang in sprudelndem Weißwein. Danach bedecke man sie mit etwas Salz und den weißen Flocken einer frisch geraspelten Kokosnuss und serviere sie im Mondschein.« In fein säuberlicher, zierlicher Schrift kritzelte er den Text neben die Zeichnungen.
    Dann blickte er auf. Seine Augen waren graugrün, die Iris war von einer milchigen Schicht überzogen, was seinem Blick etwas Diffuses gab. »Verstehen Sie?«, fragte er.
    »Nein«, sagte Mira.
    »Das ist Futurismus«, sagte der Herr.
    »Ich verstehe nichts von Kunst«, sagte Mira.
    »Ich bin im Grunde kein Futurist«, fuhr der Herr fort, als habe sie nichts gesagt. »Die Herrschaften sind mir zu verbissen und zu militant. Aber einige ihrer Ideen sind durchaus faszinierend.«
    Nun, da er sie ansah, merkte sie, dass er viel jünger war, als er auf den ersten Blick erschienen war. Es war seine gebeugte Haltung, die sie getäuscht hatte. Sein Haar war voll und braun, sein Gesicht ganz glatt. Er war bestimmt nicht viel älter als vierzig.
    »Sie huldigen dem Krieg«, sagte er. »Aber der Krieg ist nichts Bewundernswertes.«
    Nein, dachte Mira, am Krieg war wirklich nichts bewundernswert, wer einen miterlebt hatte, brauchte keinen zweiten mehr. Nichtsdestotrotz war dieser Herr nicht ganz bei Verstand.
    »Kann ich Ihnen noch etwas bringen?«, fragte sie.
    Er lächelte und wirkte auf einmal noch jünger. »So vieles«, sagte er.
    Da klemmte sie ihr leeres Tablett unter den Arm und ging kopfschüttelnd zurück zur Essensausgabe.
    Um halb zwölf kam ihre Mutter und bestellte Frühstück und war empört, als Mira ihr keines mehr bringen wollte. »Nun hab dich nicht so. Ich bin doch gerade einmal ein paar Minuten zu spät.«
    »Kaffee kann ich dir noch bringen. Ansonsten gilt jetzt die Mittagskarte.«
    Ihre Mutter murmelte etwas, das nicht zu verstehen war. Als Mira kurz darauf wiederkam, um die Bestellung aufzunehmen, war sie gegangen. Achselzuckend ging Mira zum nächsten Tisch. Irgendwo in ihrem Magen spürte sie einen leise bohrenden Schmerz, ein Gefühl, das sie immer mit ihrer Mutter verband. Zum Teufel mit ihr, dachte Mira.
    Sie war wochenlang nicht mehr im Kino gewesen. Schuld war der neue Pianist, sie konnte sein Geholper und Gestolper auf den Tasten einfach nicht ertragen, sein lautes Geklimper, das spannende, gefühlvolle, leidenschaftliche oder stille Szenen gleichermaßen zudeckte. Ein paar Mal war sie im Alhambra auf der Friedrichstraße gewesen, das auch näher an ihrer Wohnung lag, aber es war ihr wie Verrat vorgekommen. Außerdem kostete dort allein der Stehplatz 55 Pfennige.
    In den letzten Tagen aber hatte sie überall die Plakate gesehen.
FAUST
verkündeten die großen Buchstaben über der holzschnittartigen Zeichnung, darüber, wellenförmig angeordnet, drei Wörter:
Eine deutsche Volkssage. Der neue Film von Murnau.
Sein Nosferatu war einer der ersten Filme gewesen, die Mira überhaupt gesehen hatte, danach hatte sie nachts wochenlang nicht schlafen können. Sogar heute träumte sie mitunter noch von dem Vampir, seiner hageren, gebeugten Gestalt, dem weißen Gesicht mit den schwarz umrandeten Augen. Dieser Blick, so müde und gierig.
    Sie würde sich den Faust ansehen, und sie würde ihn im Odeon

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