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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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das schmale Fenster, hinter dem sie den breiten Rücken des Kutschers sahen. »KöthenerStraße war das Fahrziel. Sie fahren ja einen mordsmäßigen Umweg.«
    Der Kutscher drehte sich nicht einmal nach ihm um, er hob nur seine Peitsche zum Zeichen dafür, dass er ihn gehört hatte.
    »Degenerierte Untermenschen«, seufzte Pechstein. »Ich kann es gar nicht abwarten, bis ich auf meiner Insel im Pazifischen Ozean bin.«
    »Warte nur erst einmal ab, ob es dort so viel besser ist als hier«, meinte Ludwig.
    »Was wird denn heute überhaupt gegeben?«, fragte Ludwig, als sie endlich auf der Köthener Straße ausstiegen.
    »Im Club? Das weiß man vorher nie. Lassen wir uns überraschen.«
    »Im Grünen Salon tagt das Neopathetische Kabarett«, verkündete Mitzi, die vorn im Café hinter der Theke stand. »Großer Andrang. Wenn ihr hier vorn bei mir bleibt, bekommt ihr euer Bier viel schneller.« Sie zwinkerte Ludwig zu, der nervös zurücklächelte. Mitzi hatte zwei verschiedene Augen, eines war blau, das andere grün. Ludwig hatte das Gefühl, dass bei ihr je nach Stimmung eine Augenfarbe dominierte; wenn sie neckisch und frech aufgelegt war, überwog das Grüne, war sie schüchtern und scheu, trat das Blaue stärker in den Vordergrund. Als er sie vor zwei Monaten einmal nachts mit nach Hause genommen hatte, war sie eindeutig in grüner Stimmung gewesen, aber am nächsten Morgen war sie in eine sehr, sehr blaue Gemütsverfassung geraten. Heute schien sie wieder grünlich aufgelegt zu sein. In dem schlechten Kneipenlicht war es allerdings nicht recht zu erkennen. Ludwig hatte ohnehin nicht vor, sich darauf einzulassen, dazu waren ihm die blauen Weinkrämpfe noch zu gut in Erinnerung.
    »Wo ist denn Rosa heute?«, fragte Pechstein, während seine Augen durch den ganzen Raum wanderten. Ludwig hatte ihn schon länger im Verdacht, dass er mit Rosa, der anderen Bedienung im Club, etwas angefangen hatte.
    »Sie ist hinten.« Mitzis Arm, der in einem langen schwarzen Handschuh ohne Finger steckte, wies auf die Tür nebender Bar. »Na, dann geht eben, wenn ich euch nicht gut genug bin. Aber wenn ihr etwas trinken wollt, müsst ihr es hier bei mir kaufen.«
    Denn Rosa bediente heute nicht, stattdessen saß sie auf einem hohen Hocker mitten auf der Bühne, den weiten Rock hochgerafft, so dass man die weißen Rüschen des Unterrocks sah und die langen Beine in den schwarzen Strümpfen. Sie sang mit einer sehr lauten und furchtbar falschen Stimme, während sie zwei Herren am Klavier und auf dem Kontrabass begleiteten. »Die Männer sind alle Verbrecher, ihr Herz ist ein finsteres Loch«, schmetterte sie. »Hat tausend verschied’ne Gemächer, aber lieb, aber lieb sind sie doch.«
    »Was haben die denn für Ideen?«, murmelte Pechstein halblaut zu Ludwig. »Setzen die Rosa auf die Bühne, als wäre sie die Waldoff. Nee, das ist nicht neopathetisch, das ist einfach nur entsetzlich. Sie hat ja ihre Qualitäten, die gute Rosa, aber Singen gehört nun mal nicht dazu.«
    Die übrigen Besucher im Hinterzimmer schienen anderer Meinung zu sein, sie johlten und klatschten und pfiffen wie von Sinnen, als Rosa ihr kleines Lied beendet hatte, von ihrem hohen Hocker gerutscht war und sich jetzt abwechselnd verbeugte und knickste wie ein kleines Mädchen. »Zugabe!«, grölte ein junger Bursche, der bestimmt nicht nur schwarzen Kaffee getrunken hatte.
    Rosa war jedoch schon von der Bühne gehüpft und stand nun neben Pechstein. Ihr rundes Gesicht glühte vor Aufregung und Freude. »Und? Wie war ich? Det hättste mich nich zujetraut, det icke so was bringe, wa?«
    Pechstein verzog das Gesicht. Er mochte es nicht, wenn Rosa berlinerte. »In der Tat, das hätte ich dir wirklich nicht zugetraut«, gab er sarkastisch zurück.
    Rosas Gesicht hörte plötzlich auf zu leuchten, als hätte jemand eine Glühbirne in ihrem Kopf ausgeknipst. Sie warf Ludwig, den sie kaum kannte, einen unsicheren Blick zu. Er lächelte ihr begütigend zu, wie einem kleinen Kind, das ein Gedicht auswendig gelernt und vorgetragen hatte.
    »Gottfried meint jedenfalls, dass ich Talent habe«, sagte Rosa jetzt auf Hochdeutsch. »Er will mir …. er will mich groß rausbringen.«
    »Der Gottfried also«, wiederholte Pechstein mit einem spöttischen Blick auf den glatzköpfigen Wirt des Clubhauses, der soeben auf die Bühne trat. »Wie will der dich denn rausbringen?«
    »Er hat Kontakte zum Wintergarten«, meinte Rosa. »Un wennde det nich jlooben willst, denn lässtes eben

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