ZITRONENLIMONADE (German Edition)
Kleinkinder mit abgerundetem Unterteil, die sich immer
wieder von selbst aufrichten, wenn man sie umwirft. Stehaufweibchen wäre in
meinem Fall der korrekte Ausdruck gewesen, aber mir gefiel das Wort
"Weibchen" genau so wenig wie "Frauchen", beides weckte Assoziationen zur Tierwelt. Also Stehauffrau,
beschloss ich. Jawohl, eine solche war ich und ich würde mich von niemandem
unterkriegen lassen! Finster grübelte ich über eine passende Antwort an diesen
scheinheiligen Verein, als ich nach einem zufälligen Blick auf die Uhr
feststellte, dass ich in zwei Minuten meine nächste Physiotherapiestunde bei
Frau Dörflinger hatte. Auch wenn ich momentan mit meinen Gedanken nicht bei der
Sache war, wollte ich sie keinesfalls vor den Kopf stoßen. Entschlossen schob
ich dieses Schreiben in die Schublade meines Nachtkästchens sowie meine
möglichen Reaktionen darauf in die hinterste Ecke meines Gehirns und fuhr zur
Therapie.
Lisa,
wie ich sie ab heute nennen durfte, ließ mir auch keine Sekunde Zeit zum
Grübeln. Sie nahm mich hart ran. Zuerst gingen wir beide in den Kraftraum, wo
sie mir viele Übungen zeigte, die ich zur Kräftigung von Armen und Beinen
machen konnte. Die Zugmaschinen waren größtenteils so konstruiert, dass man die
Übungen auch im Rollstuhl absolvieren konnte. Und ich war nachträglich noch
wütend auf Luschenpeter, der offensichtlich zu faul gewesen war, mich hier
einzuweisen und lieber so tat, als ob ich im Kraftraum fehl am Platz wäre.
Danach
ließ sie mich wieder an den Barren auf und ab laufen, solange, bis mein rechtes
Bein vor Erschöpfung vom Oberschenkel ab unkontrolliert heftig zitterte. Ich
erschrak darüber, aber sie beruhigte mich gleich: " Keine Sorge, das ist
ein gutes Zeichen. Es bedeutet, dass die Muskeln überanstrengt sind, aber sie
arbeiten! Nach einer Ruhephase hört das wieder auf!" Als ich im Rollstuhl
in mein Zimmer zurück kehrte, hüpfte der rechte Fuß, den Lisa auf der Fußstütze
mit einem Klettband fixiert hatte, immer noch ungebremst auf und ab und ich
genierte mich in den Gängen vor den Entgegenkommenden, denn es sah komisch aus,
so als ob ich meine Köperteile nicht unter Kontrolle hätte…
Als
mein Blick auf die geschlossene Schublade meines Nachttisches fiel, und ich an das "freundliche"
Schreiben dachte, waren alle negativen Gefühle schlagartig wieder da.
Glücklicherweise
war heute schon Donnerstag und Mark hatte für den Freitag sein Kommen versprochen.
Ich war froh, dass er morgen bei mir sein würde und ich diese Angelegenheit mit
ihm besprechen konnte. Er würde wissen, was zu tun wäre und wie ich am
elegantesten auf dieses Schreiben reagieren sollte. Bis Mitte April, also der
angegebenen Frist hatte ich noch zwei Wochen Zeit.
Kapitel Sechsundzwanzig
Als
mein Verlobter am nächsten Tag gegen
halb fünf an meine Zimmertüre klopfte, hatte ich mich nach einer schlaflosen
Nacht wieder einigermaßen beruhigt. Nichts wird so heiß gegessen, wie es
gekocht wird! (Sie ahnen es sicher - stammte von Oma!).
Mark
wirkte müde, als er, ganz gegen seine sonstige Art, langsam und zögernd mein
Zimmer betrat. Er war blass, seine Augen rot umrandet und er winkte ab, als ich
zwecks zärtlicher Begrüßung auf ihn zurollte.
"
Hallo Chris. Ich komme dir heute besser nicht zu nahe, bei mir ist eine
Erkältung im Anmarsch. Ich fühle mich ziemlich fertig." Mein schlechtes
Gewissen regte sich.
"
Ach Mark, du hättest mich anrufen sollen. Du solltest dich übers Wochenende
zuhause mit einer Kanne Tee ins Bett legen, anstatt die lange Fahrt zu mir zu
machen."
Er
winkte ab. " Nicht so schlimm, ich habe zwei Aspirin eingeworfen und noch
eine ganze Packung davon im Handschuhfach liegen. Ich hatte Sehnsucht nach dir.
Ich lege mich einfach ein bisschen auf
dein Bett und du erzählst mir, wie deine Tage hier seit Ostern waren. Ich habe
mich in Lindau im Hotel einquartiert für heute Nacht, kann also länger bei dir
bleiben. Morgen fahre ich gegen Mittag zurück und ruhe mich dann übers
Wochenende ein wenig aus."
Er
warf sich auf mein Bett und lehnte sich mit einem erleichterten Seufzer auf
mein Kopfkissen. Ich freute mich, dass er mich trotz seines miserablen Zustandes
sehen wollte und hergekommen war. Und dass er zum allerersten Mal, seit ich
mich in der Reha befand, über Nacht am Bodensee blieb. War das eine
schleichende Veränderung seiner bisherigen Prioritäten? Ich wollte ihn nicht
gleich mit diesem Brief überfallen und wir unterhielten
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