ZITRONENLIMONADE (German Edition)
tat weh, nein, es brannte, als ob jemand mit einem
scharfen Messer darin herumstochern würde. Wie konnte er sechs gemeinsame
Jahre, in denen wir so vieles miteinander erlebt hatten, einfach wegschmeißen?
Paradoxerweise wünschte ich, er würde mich so ansehen anstatt dieser geistlosen
Barbiepuppe. Die ganze Nacht tat ich kein Auge zu, lag hellwach im Bett und
erinnerte mich an unsere schönen gemeinsamen Erlebnisse: Wie wir zum ersten Mal
miteinander ausgegangen waren, unsere erste gemeinsame Nacht, unser bestandenes
zweites Staatsexamen und das anschließende Sektfrühstück im Bett und und und
und…
Interessanterweise
fielen mir nur die guten Dinge ein.
Und
das sollte jetzt alles auf einen Schlag vorbei sein? Wegen einer unbedarften
sexbesessenen Zwanzigjährigen? Die schon mehr Männer gehabt hatte als ein
Haifisch Zähne…Ich konnte nicht glauben, dass mein intelligenter Verlobter mit
seinem messerscharfen analytischen Verstand auf so eine hirnlose Schnalle
herein fiel. Scheinbar war ihm derselbe zwischen die Beine abgerutscht und
dabei auf der Strecke geblieben? Aber womöglich war es ja wirklich nur ein einmaliger Ausrutscher
gewesen? Vielleicht hatten sie sich ja erst am Samstag kennengelernt; bestimmt
hatte sie sich an ihn rangemacht!
An
dieser Stelle meldete sich mein gesunder Menschenverstand. Hör auf, ihn
entschuldigen zu wollen, schimpfte mich mein innerer Spielverderber. Dazu
gehören immer zwei. Er hat dich eiskalt angelogen, als er sagte, er sei krank
und müsse sich auskurieren. Ins P1 ist er gegangen! Und außerdem: Mark hatte
sich bisher nie dazu geäußert, wie es zwischen uns weitergehen würde, wenn ich
aus der Reha käme. Hatte er es ganz bewusst vermieden, in mir Hoffnungen darauf
zu wecken, dass ich wieder zu ihm in die Wohnung ziehen würde? Weil er schon
wusste, dass es aus war? Abwechselnd weinte und grübelte ich, bis es draußen
hell wurde. Um sechs stand ich wie gerädert auf und rollte ins Bad, wo ich
verzweifelt mein verquollenes Gesicht mit den tiefen Augenringen im Spiegel
anstarrte. Ich konnte definitiv nicht mit einer Zwanzigjährigen mithalten,
momentan wirkte ich etwa dreimal so alt und hatte das zerknitterte tieftraurige
Gesicht einer französischen Bulldogge! Und
fühlte mich auch so: Mir tat alles weh, ich hatte schreckliche Bauchschmerzen
und hätte mich am liebsten für immer in meinem Bett verkrochen. Stattdessen
musste ich heute bereits um acht zur Physiotherapie.
Kurz
spielte ich mit dem verlockenden Gedanken, mich krank zu melden. Aber ich war
hier, um wieder auf die Beine zu kommen! Es hatte lang genug gedauert, bis ich
Lisa als fähige Therapeutin zugeteilt bekommen hatte. Vielleicht würde ein
anderer Patient meine Stunde übernehmen, sie ebenfalls als Dauertherapeutin
haben wollen und ich käme wieder zu Peter. Nein, alles bloß das nicht! Also
zwang ich mich zu einer Dusche und versuchte, mit Schminke mein Aussehen etwas
zu verbessern. Dummerweise hatte ich heute nur vormittags Therapien, der
Nachmittag würde sich endlos hinziehen…
Nach
der Stunde mit Lisa fühle ich mich nicht mehr ganz so bescheiden. Wir waren
erneut auf der Treppe gewesen, diesmal hatte ich fünf Stufen geschafft und
keine Panikattacke bekommen, wahrscheinlich, weil mir gerade alles wurscht war.
Wäre mir sehr gelegen gekommen, wenn ich die Treppe runtergefallen und mich schwer
verletzt hätte, das würde Mark recht geschehen! Dann müsste er herkommen.
Apropos
herkommen: Ich hatte mich dazu entschlossen, ihn anzurufen und ihn mit diesem
Artikel zu konfrontieren. Ich wollte es von ihm persönlich hören, dass er
meiner überdrüssig war.
Nachmittags
wählte ich seine Büronummer und erstaunlicherweise war er sofort am Apparat.
Als ich seine vertraute Stimme hörte, die mir schon so viele Zärtlichkeiten und
Komplimente ins Ohr geflüstert hatte, schluckte ich schwer. Ungeduldig wie er
war, rief er
"Hallo?
Hallo, wer ist denn dran?" in den Hörer. Ich räusperte mich.
"
Mark? Ich bin´s, Christina. Ich muss mit dir reden, und zwar möglichst bald.
Kannst du herkommen?"
Ich
hatte mich entschlossen, dass ich ihm in die Augen blicken wollte, wenn er mir
gegenüber seine Affäre eingestand und wir darüber sprechen würden, wie es
weiter gehen sollte.
Er
hatte den Ernst der Lage noch nicht durchschaut. An seiner genervten Stimmlage
erkannte ich, dass ihm mein privater Anruf jetzt gar nicht passte. "Chris,
muss das sein? Ich war doch samstags bei dir, habe mich gerade
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