ZITRONENLIMONADE (German Edition)
mein Verlobter mich im Stich gelassen hatte, stünde ich
unter ständiger Beobachtung. Der Stationsarzt würde benachrichtigt und man
würde mich massiv bedrängen, doch zu einem der Psychofritzen zu gehen,
vielleicht sogar Medikamente gegen Depressionen zu nehmen. Aber ich wollte das
nicht, ich würde das mit mir allein abmachen!
Es
ging niemanden etwas an, dass ich durch ein männermordendes nymphomanes
Betthäschen ersetzt worden war! Da hatte ich meinen Stolz! Also entschuldigte
ich mein desolates Aussehen beim Personal und bei Mitpatienten mit einer
beginnenden Erkältung, die mich erwischt hatte. Praktischerweise waren damit
auch meine geröteten Augen hinreichend erklärt.
Iris
Wallner traf ich an diesem Tag zum Glück nicht. Sie hätte mir meine
fadenscheinige Ausrede nicht abgenommen, ebenso wenig wie ihr scharfsichtiger
Sohn.
Sabine
las keine Klatschblätter, und ich würde sie - obwohl ich ihren Zuspruch dringend brauchen könnte - nicht anrufen.
Noch nicht! So wie ich sie kannte, würde sie alles stehen und liegen lassen, um
mir beizustehen. Aber ihr Mann und ihre Kinder brauchten sie ebenfalls und sie
hatte mir wahrlich schon genug geholfen.
So
spielte ich die Tapfere und vergrub meinem grenzenlosen Kummer tief in mir…
Allerdings hatte ich nicht mit Mama und
Martina gerechnet. Über meinen Beziehungsproblemen hatte ich den angekündigten
Deutschlandbesuch meiner Schwester völlig verdrängt und wurde deswegen an
diesem Abend von Mama am Telefon förmlich überrumpelt. Als ich nach dem
Abendessen ins Zimmer kam und der Apparat klingelte, stieg zunächst die völlig
unsinnige Hoffnung in mir hoch, es möge Mark sein, der sein Verhalten bitter
bereute und mir das mitteilen wollte. Atemlos meldete ich mich.
"Christina,
habe ich dich irgendwo her geholt?" rief meine Mutter fröhlich und ohne meine Antwort abzuwarten, fuhr sie
fort: "Dein Schwesterherz ist seit zwei Tagen hier und nachdem sie jetzt
ihren Jetlag einigermaßen überwunden hat, wollen wir dich morgen besuchen
kommen. Ich gebe sie dir mal schnell."
Schon
erklang die warme Altstimme meiner kleinen Schwester.
"Hallo, Chris. Ich genieße es gerade
maßlos, mich von Mama und Paps verwöhnen zu lassen, anstatt mitten in der Nacht
aufzustehen und auf der Farm zu arbeiten. Brad hat mir am Telefon erklärt, er
vermisst mich jetzt schon. Wenn es dir
recht ist, komme ich morgen mit Mama. Wir suchen uns ein Hotel für die Nacht,
dann haben wir mehr Zeit für dich."
Unter
normalen Umständen hätte ich mich wahnsinnig drüber gefreut, Martina wieder zu
sehen. Wir hatten uns immer gut miteinander verstanden. Obwohl zwei Jahre jünger als ich, war sie schon
immer die Besonnenere, Vernünftigere von uns beiden. Umso mehr hatte es alle
erstaunt, als sie sich Hals über Kopf in einen australischen Austauschstudenten
an der Uni verliebte und nach Abschluss ihres Philosophiestudiums mit ihm nach
Australien gegangen war. Brads Eltern hatten dort in der Nähe von Sydney eine
große Schaffarm, auf der Martina tatkräftig mitarbeitete.
Wäre
mit Mark und mir alles in Ordnung gewesen, hätte ich mich auf ihren Besuch und
ihre Erzählungen sehr gefreut. Aber momentan interessierten mich ihre Erlebnisse
überhaupt nicht, da mein gesamtes Denken nur um meine in die Brüche gegangene
Verlobung kreiste.
Das
konnte ich den beiden allerdings nicht erzählen, ebenso wenig, wie ich ihren
Besuch verhindern konnte, ohne sie gewaltig vor den Kopf zu stoßen.
Ich versicherte meiner Schwester also
notgedrungen, dass ich mich auf das Wiedersehen mit ihr sehr freute. Ich würde
mich eben zusammenreißen müssen und vielleicht konnten die beiden mich von
meinen Grübeleien ablenken, hoffte ich. Ich hatte keinesfalls vor, ihnen ihren
Aufenthalt bei mir dadurch zu versauen, dass ich von meinem völlig aus dem
Ruder gelaufenen Privatleben erzählte…
Meine
guten Vorsätze hielten der Realität allerdings nicht stand. Nach der
stürmischen Begrüßung am kommenden Tag sprudelte Martina über mit
Beschreibungen ihres Alltags, sie zeigte uns Bilder von Sydney und Umgebung,
von der riesigen Farm, von der Teile bereits 130 Jahre alt waren, von Brad und
seinen Eltern, deren Vorfahren unter den ersten Einwanderern Australiens gewesen waren, wie sie stolz berichtete.
"Auf der Farm leben 10.000 Schafe und 1000 Rinder, jedes Jahr im Mai
findet die große Schafschur statt. Fahrende Schafscherer ziehen von Station zu
Station, wie die Farmen bei uns
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