ZITRONENLIMONADE (German Edition)
sehr viel anders als vor dem Schlaganfall und da ich nervös war, stotterte
ich auch stärker. Später bestätigten mir Thomas und Andrea, dass sie nach dem
Gespräch mit mir beide geweint hatten, weil ich so rau und mühsam geredet hatte
und sie mich zuerst nicht erkannten. Immer öfter holte ich mein kleines
Adressbuch aus der Schublade und meldete mich nach und nach bei unseren
Freunden. Viele von ihnen hatten mir geschrieben, teils witzige, teils rührende
Karten oder Briefe. Ich war überwältigt von so viel Anteilnahme.
Nur eine Bekannte, mit der ich pro
Woche einmal im Fitness-Studio trainierte, sank auf meiner Beliebtheitsskala
rapide nach unten. Ich hatte sie für eine gute Freundin gehalten, aber als ich sie
anrief, reagierte sie fast beleidigt.
"Ach, Christiiina!" hörte ich
sie gedehnt sagen. "Schön, dass man
von dir auch mal wieder was hört. Ich habe erfahren, du seist
schwerkrank." Ich war von ihrem vorwurfsvollen Ton geschockt. Was hatte
die denn für Probleme? War sie tatsächlich beleidigt, weil ich ihr nicht unmittelbar
nach meiner Operation ein Gesundheitsbulletin hatte zukommen lassen? Trotzdem versuchte ich eine Erklärung. "Ja,
ich hatte eine Blutung im Gehirn, bin rechts völlig gelähmt, lerne gerade in
einem Rollstuhl zu sitzen und wie du vielleicht hörst, kann ich auch noch nicht
gut reden. Ich hoffe aber, das wird wieder."
Schweigen am anderen Ende.
Verunsichert fragte ich nach. "Ilse,
bist du noch dran?" Immer noch sehr distanziert und kühl kam die Antwort:
"Ja, ich bin noch da, du, aber
dein Anruf kommt gerade ziemlich ungelegen, ich muss das Essen für Martin
kochen, der kommt gleich heim. Melde dich doch einfach, wenn du wieder gesund
bist, dann gehen wir wieder zusammen sporteln! Mach´s gut, Chris." Und
schon hatte sie aufgelegt. Du mich auch,
Schätzchen! Na, prima, dachte ich mir.
Wer solche "Freunde" hat, braucht keine Feinde mehr! Ilse konnte mich
mal! Selbst wenn ich fit wie ein Turnschuh wäre, würde ich lieber allein in der
Wüste als noch mal mit ihr zusammen trainieren. Glücklicherweise war sie die
einzige Ausnahme.
Besuche lehnte ich – außer von Mark und
Sabine – nach wie kategorisch ab. Obwohl mir sogar die Schwestern und Ärzte rieten,
zur Ablenkung mehr Besuch zu empfangen. Aber meine Eitelkeit war stärker. Niemand
sollte mich so sehen, als Behinderte im Bett oder Rollstuhl sitzend. Und wie
peinlich wäre das denn, wenn ich während den Besuchen aufs Klo müsste und die
dann draußen zu warten hätten, bis die volle Schüssel an ihnen vorbei getragen
würde? Nein danke. Da war ich eigen.
Kapitel Sechs
Jetzt war ich in der Lage, mich mit
Fernsehen oder Lesen abzulenken, auch wenn es auf längere Zeit immer noch
anstrengend war. Aber eine Stunde am Stück schmökern konnte ich bereits. Sabine
hatte mich mit Romanen förmlich überschwemmt . Dank ihrer Auswahl las ich nicht nur heitere Lektüre,
sondern tauchte auch tief in die Welt der von mir bis dahin schändlich
vernachlässigten Fantasy-Bücher ein.
Ich
begleitete eine verheiratete Engländerin durch einen magischen Steinkreis in
die Zeit des schottischen Unabhängigkeitskrieges, erlebte die Schlacht bei Culloden
mit und die Autorin schrieb derart packend, dass ich die Leidenschaft von
Claire für einen hochgewachsenen wortkargen jungen Schotten, der stur wie ein
Maulesel war und dazu noch rotes Haar hatte, völlig nachvollziehen konnte. Und
das will was heißen, denn rothaarige Männer standen bis dahin nie auf meiner
Erotikhitliste (sorry Boris!).
Ich litt mit Harry Potter, bis er endlich sein Stiefkinddasein in einem Verschlag
unter der Treppe bei seinen fiesen Verwandten beenden und mit dem
Hogwarts-Express auf sein neues Burginternat fahren durfte und dann gab es da
noch Bella Swan, eine bis dahin unbedarfte Siebzehnjährige, die sich fürchterlich
grämte, weil sie aus dem sonnigen Kalifornien in ein verregnetes Kaff ziehen
musste, um bei ihrem Vater zu leben. Das Leben erscheint ihr völlig trostlos,
bis sie auf ihrer neuen Highschool neben einen wunderschönen aber sehr unhöflichen
jungen Mann zu sitzen kommt, der in Wirklichkeit ein jahrhundertalter Vampir
ist, und sie sich prompt in diesen verliebt. Zum Glück geht es dem Blutsauger
ähnlich, auch er findet Bella im wahrsten Sinne des Wortes unwiderstehlich. Da Menschen
normalerweise die Hauptnahrungsquelle dieser Wesen darstellen, bringt dies
natürlich einige Probleme mit sich. Hätte mir jemand
Weitere Kostenlose Bücher