ZITRONENLIMONADE (German Edition)
ich wieder diese beschwichtigende Stimme in
meinem Kopf, musst du berücksichtigen, dass er wirklich gestresst war und
dennoch hierher kam, um dich zu sehen. Aber diesmal hatten die
Beschwichtigungsversuche der Pro- Mark-Fraktion in mir keinen Erfolg: Ich war so sauer auf ihn, dass ich ihm am
liebsten seine Zeitschriften nachgeworfen hätte.
Außerdem ahnte ich, dass man ihn mit
„Leistungen“ wie in einem Gehgestell für
zehn Minuten zu „stehen“ oder einer Dusche, bei der die Schwester die
Hauptarbeit geleistet hatte, auch nicht sonderlich beeindrucken könnte.
Er war nicht in der Lage, gedanklich
nachzuvollziehen, dass ich momentan sehr kleine Brötchen backen musste, was
meine gesundheitlichen Fortschritte anging. Zudem hatte sich in seinem Leben ja
nicht viel geändert, außer dass er momentan ohne mich auskommen musste. Aber
wir hatten – beruflich bedingt – schon vorher wenig gemeinsame Zeit miteinander
verbracht. Und obwohl auch ich einen anspruchsvollen Job besaß, hatte er schon
immer mehr und länger gearbeitet als ich. Mit Begeisterung stürzte er sich in
der Kanzlei auf alle langwierigen schwierigen Herausforderungen und scheute
keinerlei Überstunden.
Trotzdem ich verstandesmäßig kapierte,
wie wichtig der Job für ihn war, nahm ich es ihm und seinen Chefs total übel,
dass sie sich so gar keine Gedanken darüber machten, dass er mehr Zeit mit mir
verbringen sollte und ich ihn momentan dringend öfter an meiner Seite gebraucht
hätte. Nein, stattdessen musste er zwei Tage nach Berlin fliegen, obwohl es in
dieser Kanzlei noch eine ganze Menge anderer junger Kollegen gab, die auf eine
solche Gelegenheit rattenscharf waren……Genau da aber lag der Hund begraben:
Mark hatte noch nie auch nur den leisesten Zweifel daran gelassen, dass er der
Beste sein wollte, derjenige, dem sie als Erster eine Partnerschaft in dieser
renommierten Kanzlei anbieten würden. Und dafür gehörte er ihnen in den ersten
Berufsjahren mit Haut und Haar. Sie pfiffen und er sprang. Tief in mir drinnen
ahnte ich, dass sich seine Prioritäten trotz meiner Krankheit nicht geändert
hatten. Zeigte sich ja schon darin, dass er mich immer nur abends besucht hatte
und noch nicht einmal, als ich aus der Narkose meiner Gehirnoperation
aufwachte, an meinem Bett stand.
Ich war mir jedenfalls sicher, wären
wir in der umgekehrten Situation gewesen, dass er hier halbgelähmt läge, dann
hätte ich mir schon längst Urlaub geben lassen, wenn es sein müsste,
unbezahlten, und würde praktisch in seinem Zimmer campieren, bis sie mich
hinauswarfen. Ich könnte mich nicht auf meine Arbeit
konzentrieren, wenn ich wüsste, dass er als kompletter Pflegefall vollkommen
vom Krankenhauspersonal abhängig wäre. Ich würde Tag und Nacht bei ihm sein
wollen. War ich sentimental? Überbehütend? Nein, gab ich mir selbst Antwort,
ich war nie eine „Glucke“ gewesen. Aber dies war ein absoluter Ausnahmefall.
Genau das Szenario, was im Eheversprechen mit „ Krankheit“ und „in schlechten
Zeiten“ gemeint war. Und in diesen
Situationen musste man uneingeschränkt füreinander da sein, fand ich! Natürlich
wurde ich hier rundum versorgt und gepflegt, aber die seelische Unterstützung
des Menschen, der meinem Herzen am nächsten stand, fehlte mir. Von meinen
Eltern hörte ich - seltsamerweise - ebenfalls nichts. Einzig Sabine baute mich
seelisch auf, aber auch sie hatte eine eigene Familie und konnte nur sporadisch
kommen.
Mit einem Mal erkannte ich glasklar, dass
sie Recht hatte mit ihrem Zweifel an Mark und seiner Unterstützung. Ich war
sauer auf ihn. Sauer und enttäuscht darüber, dass er meine Lage wohl als nicht
halb so schlimm einstufte, wie sie wirklich war. Stinkig, dass er seinem Job
Priorität mir gegenüber einräumte und traurig, dass wir uns in wenigen Tagen
schon ein Stück weit voneinander entfernt hatten.
Ich lebte hier in einer völlig anderen
Welt als er da draußen im Haifischbecken der Topanwälte und deren Klientel,
hatte mit Problemen zu kämpfen, die sich ein gesunder Mensch nicht mal
ansatzweise vorstellen konnte. So viele "selbstverständliche“ Dinge waren
für mich nicht oder nur sehr erschwert möglich. Wenn er mich besuchte, das fiel
mir jetzt auf, gab er mir immer das Gefühl, nur er hätte Stress und viel zu tun,
während ich hier nur rumlag und mich rundum versorgen ließ.
Er sagte es zwar nicht direkt, aber aus seinen
Schilderungen, was er momentan – auch mit unserer
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