ZITRONENLIMONADE (German Edition)
gemeinsamen Wohnung - alles
an der Backe hatte, war es deutlich heraus zu hören. Hatte er sich doch
tatsächlich bei mir darüber beschwert, dass unsere Putzfrau, die einmal
wöchentlich in unserer Wohnung sauber macht, seine Schuhe nicht geputzt und in
den Schuhschrank gestellt hatte.
"Also Christina, ich weiß nicht, mir
scheint, du hast ihr viel zu ungenaue Arbeitsanweisungen erteilt."
Nun ja, ich war zutiefst betroffen von
seinen derzeitigen gravierenden Problemen: Musste der arme Mann doch
tatsächlich seine Schuhe einmal selbst putzen und sie aufräumen! Wie tragisch!
Außerdem nervte mich sein grenzenloser
Optimismus, den er bezüglich meiner Gesundung an den Tag legte. Ich wollte
ebenfalls wieder `die alte Christina` werden, aber mir war hier schon
aufgegangen, dass dies ein relativ langwieriger Prozess werden könnte
angesichts meiner minimalen Fortschritte.
Auch
die Ärzte warnten mich vor allzu ehrgeizigen Zielen. „Natürlich ist es gut und richtig,
wenn Sie üben, Frau Salten“, sagte Professor Hieber zu mir, als eine Schwester
ihm erzählte, dass ich stundenlang dalag und meine Finger der rechten Hand
bewegte oder versuchte, den Arm zu heben. „ Aber bedenken Sie, dass der Körper
sein eigenes Tempo hat. Hirn- und Schädeltraumata sind eine langwierige Sache
und die Nervenverbindungen benötigen einfach eine gewisse Zeit, bis sie sich
wieder regenerieren. Sie müssen geduldig sein und sich nicht zu viel
abverlangen. Sonst werden Sie seelische Probleme bekommen.“
Der Mann hatte gut reden: Die hatte ich
jetzt schon, zusätzlich zu meinen anderen körperlichen Problemen. Jede Nacht
wachte ich gegen drei Uhr auf, erging mich in unerfreulichen Grübeleien und
dann saß, wie es mal eine Schriftstellerin in einem Buch wunderbar definiert
hatte, ein großes graues Tier in meinem Zimmer, teilweise sogar direkt auf
meiner Brust, und ließ alles trostlos und schlimm erscheinen. Gottseidank
verschwand diese düstere Stimmung morgens, wenn der Krankenhausalltag begann.
Spätestens wenn mein Frühstück vor mir stand, brach mein gewohnter Optimismus
wieder durch und ich sah die Dinge, die mir nachts noch total hoffnungslos
erschienen waren, in einem helleren Licht. Dennoch war mir schon aufgegangen,
dass dieser Schlaganfall nicht wie eine Infektionskrankheit nach ein paar
Wochen völlig ausgeheilt sein würde. Ich wusste, dass meine nicht vorhandene
Geduld auf eine harte Probe gestellt würde.
Aber Mark beharrte hartnäckig darauf,
dass ich zu pessimistisch wäre, mich mehr anstrengen müsste und er mich in ein
paar Wochen abholen und mit mir aus dem Krankenhaus hinaus zum Auto spazieren
würde.
Die Ärzte hatten mir aber bereits auf
der Intensivstation gesagt, sobald ich gesundheitlich stabiler wäre, würde ich
direkt vom Krankenhaus in ein Rehazentrum verlegt werden. Dort war ich schon
kurz nach der Operation angemeldet worden, aber noch hatten sie kein Bett für
mich frei. Sie würden mir dort alle Fähigkeiten beibringen, die ich benötigte,
um im normalen Alltag alleine klar zu kommen. Und dies könnte durchaus nochmals
ein paar Monate dauern. Mal sehen, was Mark dazu sagen würde, falls er wieder
kommt, dachte ich boshaft. Da wird er sich leider noch etwas länger mit unserer
Putzfee herumschlagen und ihr statt meiner genaue Arbeitsanweisungen erteilen
müssen…
Irgendwann übermannte mich dann aber doch die
Müdigkeit und als ich die Augen das nächste Mal öffnete, wurde es draußen hell
und eine Schwester schaute vorsichtig ins Zimmer, ob ich schon wach war.
Sie lächelte, als sie herein kam und
schwenkte etwas in der Hand. Wie sich heraus stellte, hatte mir Mark gestern Abend
noch eine Telefonkarte für das Telefon an meinem Bett besorgt und bei den
Schwestern vorne abgegeben. Wahrscheinlich hatte er ein schlechtes Gewissen
gehabt, weil er sich so schnell wieder aus dem Staub gemacht hatte, dachte ich
unversöhnlich. Ihn würde ich garantiert nicht anrufen! Er hatte ohnehin so viel
zu tun, dass ich ihn nur stören würde.
Stattdessen meldete ich mich im Laufe
des Vormittages bei Sabine, die sich riesig über meinen unerwarteten Anruf freute.
Ich erzählte ihr aber mit keinem Wort von Marks gestrigen Besuch, dessen
Verlauf ich selbst erst mal verdauen musste. Nach Sabine rief ich gleich noch
zwei andere gute Freunde an, die sich dauernd bei Sabine nach mir erkundigt
hatten und mir liebe Grüße ausrichten ließen.
Meine Stimme und meine Sprache klangen
wohl
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