ZITRONENLIMONADE (German Edition)
doch, dass das Bein
wieder kommt! Das ist der Beweis, Frau Salten!" Ich konnte es nicht fassen
und bettelte: "Bitte nochmal, ich muss das sehen!" Wieder und wieder,
solange bis das Eis ganz geschmolzen war, brachte sie den Muskel zum Reagieren
und mir liefen die Freudentränen übers Gesicht! Wie oft hatte ich heimlich gebetet, ein Zeichen zu erhalten, dass auch
mein rechter Fuß sich wieder erholen würde und ich die Chance hätte, den
Rollstuhl irgendwann zur Seite stellen zu können. Und jetzt war es soweit! Noch
Stunden nach dieser denkwürdigen Physiotherapiestunde lag ich überwältigt und
breit grinsend im Bett und wiederholte ständig wie ein Idiot im Stillen:
"Danke, lieber Gott, vielen vielen Dank!" Sie können mir jetzt glauben oder nicht, aber
ich war fest davon überzeugt, dass mir eine höhere Macht (da ich katholisch
erzogen wurde, ist das "Gott" für mich) in all den schlimmen Phasen
meiner Krankheit und Genesung zur Seite gestanden hatte. Ein Lieblingssatz
meiner Omi:
" Immer wenn du denkst es geht
nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her!" war in meinem Fall bei
den verschiedensten Gelegenheiten wahr geworden.
Karina musste die Neuigkeit vorne an
der Stationsrezeption bekannt gemacht haben.
Schwester Mirjana und Schwester Rita
waren die ersten, die zu mir ins Zimmer kamen. Wir alle drei strahlten uns an.
"Frau Salten, herzlichen
Glückwunsch! Das sind doch prima Fortschritte!" sprudelte Mirjana hervor,
kam an meine Seite und drückte mich ganz fest.
Rita stand vor mir, stemmte die Hände
ein die Hüften, um ihre Rührung zu kaschieren und winkte mir zu.
" Frau Salten, Sie sind heute Nachmittag
zur Feier des Tages eingeladen, mit uns allen auf der Station im
Schwesternzimmer Kaffee zu trinken. Wir werden Sie jetzt im Rollstuhl nach
vorne bringen." Als sie mich, angetan mit Bademantel und Schuhen auf dem
Gang nach vorne zur Anmeldung schoben und wir das Schwesternzimmer, einen hellen
großen Raum mit einem runden bereits gedeckten Kaffeetisch betraten, kam ich
mir vor wie Hannibal nach der Alpenüberquerung. Alle, die gerade anwesend waren,
klatschten bei meinem Anblick und gratulierten mir, jeder Einzelne mit Handschlag. Ich hob meine
Hand - die Linke wohlgemerkt, wenn die Rechte wieder in Zuckungen verfiele,
sähe das nicht so routiniert aus! - und musste vor lauter Rührung zweimal
kräftig schlucken. "Ich fühle mich total geehrt von Eurer Einladung
hierher. Und ich freu mich auch, dass das Bein ein Lebenszeichen von sich
gegeben hat. Aber das liegt nicht an mir, sondern ist unbewusst passiert. Ich
habe ja nicht mal dran geglaubt, dass Karinas Eisstreichelei was bringt!"
wehrte ich die Lobeshymnen ab.
"Aber sie geben sich nie auf, Christina.
Sie haben nie, seit Sie bei uns sind, auch nur einmal schlechte Laune gezeigt,
haben sich nie gehen lassen, obwohl sie wirklich allen Grund dazu gehabt
hätten, und sind - das bleibt aber unter uns - eine unserer liebsten
Patientinnen! Sie haben sich diesen Erfolg wirklich verdient!" Rita sprach
und alle anderen nickten zustimmend. Bevor mich endgültig die Rührung übermannte
und ich womöglich noch zu heulen anfing, rettete ich mich in Flapsigkeit.
"Danke für die Blumen", Ich
deutete auf den gedeckten Tisch und die Kaffeemaschine in der Ecke. " Das
ist hoffentlich ein anderer Kaffee als euer Patientenfrühstücksgesöff?"
Unter Gelächter und der Versicherung, dass sie selbstverständlich richtigen
stark gebrauten Kaffee tranken - sie mussten sich ja in ihren anstrengenden
Schichten wach halten - wurde ich an den Tisch geschoben.
Und für die nächste Stunde vergaß ich
zum ersten Mal seit fast drei Wochen, dass ich eine Gehirnblutung gehabt hatte,
dass ich im Krankenhaus war und behindert im Rollstuhl saß. Sie alle waren
ungefähr in meinem Alter, und ich bot ihnen kollektiv das Du an. Ich kam mir
vor wie damals in der Uni-Mensa, wenn wir Kommilitonen uns zwischen den
Vorlesungen zum Kaffee trafen. Wir erzählten uns lustige Geschichten und lachten
miteinander und genauso war es jetzt auch! Mich ehrte ihr Vertrauen, mit dem
sie ganz offen über diverse unleidliche Patienten oder Ärzte herzogen und bei
vielen Erzählungen brach ich in lautes Gelächter aus. Zwischendurch musste
immer mal einer weg, weil eine der Patientenklingeln läutete, aber ich genoss
diese Stunde Normalität und zehrte auch dann noch davon, als ich längst wieder
in meinem Bett lag.
Mark, der abends vorbei kam - zum
letzten Mal vor meiner
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