ZITRONENLIMONADE (German Edition)
am Central Park einen verzwickten Mord - Fall. Mich faszinierte dieser Mann, der
tausendmal schlimmer dran war als ich; der eigentlich vorhatte, sich mit
Unterstützung einer Sterbehilfeorganisation umzubringen und es dann aber
schaffte, seinem Leben einen Sinn zu geben. Und ebenso gebannt las ich, was es
für einen total gelähmten Menschen alles für Hilfsmittel gab wie z.B., ein
automatisches Umblättergerät, in welches er sich Bücher und Dokumente einspannen
lassen konnte. Gleichzeitig gab mir die Lektüre das Gefühl, im Gegensatz zu ihm
beinahe gesund zu sein…
Nachmittags rief mich Sabine an und
kündigte mir für abends den Besuch ihrer gesamten Familie an.
" Keine Widerrede, wir wollen dich alle
sehen, vor allem die Großen fragen ständig nach dir. Dennis ist ganz happy,
weil er dich als einziger außer mir schon live gesehen hat."
"Ja genau, er hat seinen Geschwistern sicher von
der Pippi-Langstrumpf-Episode ausführlich erzählt", vermutete ich. Aber
Sabines Antwort überraschte mich. "
Nein, hat er nicht. Ich habe an diesem Abend, als er den anderen von unserem
Besuch bei dir erzählte, extra nichts gesagt. Aber er auch nicht. Er hat nur
erwähnt, dass du schon in einem Gestell stehen könntest, mehr nicht. Vermutlich
hat er genau gemerkt, dass dir das mit deinem Outfit peinlich war."
Ich war gerührt und erstaunt, was für
ein natürliches Taktgefühl der Fünfjährige bereits an den Tag legte. Da könnte
sich mancher Erwachsene nicht nur eine Scheibe, sondern ein Riesenstück
abschneiden!
Abends hörte ich meinen angekündigten Besuch
bereits auf dem Gang draußen. Alex` tiefe Stimme sagte irgendetwas und gleich
darauf hörte ich fröhliches Kinderlachen. Während Sabine noch versuchte, sie
zum Leisesein zu animieren -
"Pscht, wir sind hier in einem Krankenhaus, nicht im Vergnügungspark"
- betraten sie alle fünf mein Zimmer und sofort schien der Raum von ihrer
Energie und Lebensfreude förmlich zu vibrieren. Die Kinder redeten alle
durcheinander auf mich ein, Alex, ein großer blonder Bär von einem Mann, trat
zu mir ans Bett und drückte mich zur Begrüßung ohne Umschweife fest an sich.
"Chris, es ist so schön, zu sehen, dass du dich erholst. Wir alle freuen
uns, bei dir zu sein. Ist nicht selbstverständlich", setzte er in aller
Gemütsruhe hinzu,
"ein Kollege von mir hat durch
eine Gehirnblutung seine Frau letzten August verloren. Sie ist wohl nachts ins
Bad gegangen, hat dort das Bewusstsein verloren, morgens hat er sie tot
aufgefunden. Sie waren erst drei Jahre verheiratet."
Sabine guckte ihn strafend an, aber
durch seine Worte wurde mir erstmals bewusst, was ich letztendlich für ein
Glück im Unglück gehabt hatte. Die Kinder drängten sich um mich und jeder redete
auf mich ein. Ihre Mutter sorgte für Ordnung.
" Einer nach dem anderen, und der
Kleinste darf anfangen."
Dennis strahlte. Es kam nicht oft vor,
dass er Vorrang vor den Großen hatte und er nutzte es weidlich aus. Sofort
kletterte er auf mein Bett, umarmte mich und drückte mir einen feuchten Schmatz
auf die Wange. Danach begrüßten mich auch Robin und Sandra, als Teenager etwas
weniger enthusiastisch, aber dennoch liebevoll. Die Kinder hatten mir eine
kleine farbenfroh angezogene Clownpuppe, eine Marionette, mitgebracht, für die
ich mich zwar bedankte, sie aber etwas ratlos betrachtete, bis mich Robin
aufklärte:
" Ihre Arme und Beine lassen sich
in jedem Gelenk bewegen, und wir dachten, das ist ein Symbol dafür, dass auch
bei dir alles wieder in Ordnung kommt."
Gerührt versprach ich ihnen feierlich,
dass dieses Geschenk für alle Zeiten einen Ehrenplatz bei mir erhalten würde.
Es wurde ein lebhafter unterhaltsamer
Abend, vor allem, als Sandra Rommekarten aus ihrer Tasche zog und mich
herausfordernd ansah. "Na, wie wäre es, Tante Chris? Ein Spielchen
gefällig?" Unter lautem Hallo feuerten mich ihre beiden Brüder an, Ja zu
sagen. Sabine und Alex standen händchenhaltend am Fußende meines Bettes und
grinsten mich schadenfroh an. Ich musste lachen. Unsere Rommerunden waren
legendär. Immer wenn ich bei Sabine zu Besuch gewesen war, saßen wir abends alle einschließlich
Alex, sofern er Zeit hatte, vor den Karten und zogen uns gegenseitig ab. Meistens
gewann Sandra, die oftmals mit Handrommee alle anderen ausstach. Mit einer gehörigen
Portion Selbstironie kam von ihr regelmäßig der Spruch:
" Glück im Spiel, Pech in der
Liebe", mit dem sie darauf anspielte, mit ihren
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