ZITRONENLIMONADE (German Edition)
hob. Der drohte ihm lachend mit erhobenem
Zeigefinger.
Ein glatzköpfiger älterer Herr, dessen
Wangen wie bei einer Bulldogge faltig herunter hingen, verweigerte jegliches
Essen. Er kniff seinen Mund trotzig zu und starrte traurig an die Wand, während
ihm Tränen über das Gesicht kullerten. In einer Ecke nahe dem großen Fenster, vor dem sich eine trostlose
braune Rasenfläche erstreckte, die von einem spärlich bepflanzten hohen
Erdhügel begrenzt war - (bei so einer grandiosen Aussicht geht es den Insassen
doch gleich sichtlich besser! Aber gleich nach diesem Gedanken folgte die
ketzerische Erkenntnis, dass ein blühender Garten vermutlich an die Patienten
dieser Station völlig verschwendet wäre) - standen drei Gehgestelle in unterschiedlichen
Größen.
Im mittleren davon war eine etwa
fünfzigjährige Frau offenbar gegen ihren Willen fixiert. Wie ein kleines Kind
kreischte sie die Schwester, die vor ihr stand und beruhigend auf sie einredete,
mit durchdringenden Schreien wütend an und fuchtelte mit ihrer linken Hand
aufgeregt in der Luft herum. Sie drückte genau das aus, was ich im Moment fühlte:
Entsetzen, Ungläubigkeit, Angst und Wut.
Gerade als ich ebenfalls loskreischen
wollte - nur über meine Leiche würde ich auf dieser Station bleiben: Dagegen
war ja die Klinik in München eine Viersterneunterkunft gewesen! - trat ein
großer blonder Pfleger an meine Seite, ergriff tatsächlich meine rechte Hand
mit festem Griff, sah mir freundlich in die Augen und begrüßte mich.
"Grüß Gott, Frau Salten, ich bin
der Michael. Herzlich Willkommen bei uns. Ich werde Ihnen jetzt ihr Zimmer
zeigen." Wenigstens wurde ich wie eine mündige Erwachsene behandelt, war
ja nicht unbedingt selbstverständlich auf dieser Station!
An den Aufenthaltsraum schloss sich ein
typischer steril wirkender Krankenhausgang mit rechts und links abgehenden
Zimmertüren an. Diese standen teilweise offen und im Vorbeirollen erkannte ich,
dass längst nicht alle Bewohner dieser Station vorne saßen. Viele wurden im
Bett gefüttert und wie ich am strengen Geruch erriet, auch gewickelt….
Wenig später lag ich allein in einem
Einzelzimmer. Mein Bett war schon mal zu kurz für meine Körperlänge. Ich stieß
unten mit den Füßen an, zumindest am linken Fuß spürte ich es. Meine Chauffeure
hatten sich, vermutlich, um nochmal einen längeren Abstecher an die
Hauptrezeption zu machen, kurz und schmerzlos verabschiedet - "Eahna ois
Guade, Frau Salten" - und auch Michael musste wieder nach vorne, hatte mir
aber erklärt, sobald sie die Übergabe an die Nachmittagsschicht erledigt
hätten, käme er wieder bei mir vorbei.
Einen Lichtblick gab es: Als ich
schüchtern äußerte, nach der langen Fahrt mal zu müssen, kamen sofort zwei
Schwestern und brachten mich mittels eines Faltrollstuhles in das
behindertengerechte Bad, das zum Zimmer dazu gehörte. Während ich mich noch
genierte, dass sie mich zu zweit aus dem Bett und auf die Toilette hieven
mussten, sagt die molligere von beiden fröhlich:
" Gottseidank, Sie sind einer unserer
leichten Fälle."
Auf meinen ungläubigen Blick hin
"Aber sie müssen mich doch zu zweit hierher setzen?" lachten sie
beide, als hätte ich einen guten Witz gemacht. "Frau Salten, mit Ihnen
kann man sich normal verständigen und Sie können mit uns REDEN! Das ist auf
dieser Station eher die Ausnahme!"
Jetzt lag ich hier und langweilte mich
tödlich. Ich kam nicht allein an meine etwa drei Meter von mir entfernt
stehende Tasche, in der sich meine Bücher und Zeitungen befanden. Ich hatte
hier auch keinen Fernseher, Telefon (Apparate waren zwar da, aber die funktionierten
ohne Karte nicht) oder auch nur ein
Radio, lediglich die abwechslungsreiche Aussicht aus dem Fenster zu meiner
Rechten.
Auch hier sah ich über einen kleinen
Feldweg hinweg auf einen Abhang, der mit Büschen und kleinen Sträuchern
bewachsen war und dessen Grasbewuchs vereinzelt von weißen Schneeflecken unterbrochen
wurde. An der Hügelkante entlang zog sich ein lang gestreckter Laubwald. Aber
auf dem Abhang - darin bestand die Abwechslung - graste eine Schafherde. Die weißbraunen
wolligen Tiere wurden von einem Collie in Schach gehalten. Der Hund kreiste unermüdlich
um die Herde und trieb sie zusammen.
Durch das gekippte Fenster hörte ich
beständiges Blöken in verschiedenen Tonlagen, das Bimmeln der Glöckchen, die
sie um ihre Hälse trugen sowie das gelegentliche scharfe Bellen ihres Wächters.
Eine Weile sah ich
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