ZITRONENLIMONADE (German Edition)
den eifrig grasenden Tieren zu - dabei knurrte mein Magen
laut und vernehmlich - dann blickte ich wieder auf die Wanduhr.
Noch keine halbe Stunde war seit meiner
Ankunft vergangen und mir kam es vor, als läge ich schon den halben Tag hier! Natürlich
hätte ich auf die Patientenklingel drücken und damit irgendeine Schwester zwingen
können, von mir Notiz zu nehmen… Aber ich stand wegen der Eindrücke von
vorhin - Sie wissen schon, meine Mitpatienten
- immer noch unter Schock.
Schlagartig hatte ich begriffen, dass
sämtliche Zweifel, ob ich für diese Einrichtung hier schon fit genug wäre,
überflüssig waren. Denen ging es allen wesentlich schlechter als mir und sie
benötigten viel mehr Unterstützung. Also würde ich den Teufel tun und den
wirklich gut beschäftigten Schwestern hier etwas von Langeweile vorjammern.
Ich verließ mich auf Michael, der dann auch
tatsächlich nach etwa einer Stunde kam und mir sogar noch ein Essenstablett
mitbrachte. Weil ich seit meinem kargen
Frühstück vor etwa vier Stunden nichts Essbares zu mir genommen hatte, aß ich
mit Todesverachtung das, was unter der Abdeckhaube hervorkam: Blut- und
Leberwurst mit Sauerkraut und Kartoffelbrei - glücklicherweise nicht püriert! Genau die gesunden Nahrungsmittel, die
wesentlich zur Genesung beitrugen…Stopp, Korrektur: Die Blutwurst brachte ich beim
besten Willen nicht runter und schob sie an den Tellerrand. Zum Nachtisch gab
es noch einen Fruchtjoghurt im Becher, den ich sauber bis auf den Boden
auskratzte.
Der Nachmittag verlief ereignislos; Michael holte auf meine Bitte hin wenigstens
den Lesestoff aus meiner Tasche, die eine Schwester wenig später noch vollends auspackte
und den Inhalt im Wandschrank verteilte. Amüsiert zeigte sie sich über meine
überdimensionale Kulturtasche, die dank Sabine meine gesamten
Schminkutensilien, Spezialshampoo für strapaziertes Haar, Duschgel und
Bodylotion enthielt.
"Sie sind ja bestens ausgestattet,
Frau Salten."
Mittlerweile hatte sich meine Stimmung
- wohl auch weil ich etwas im Magen hatte, denn wenn ich hungrig war, wurde ich
sozialunverträglich, auf bayrisch: grantig - etwas gehoben.
"Tja, meine Freundin dachte wohl,
ich würde hier einen Wellnessaufenthalt verbringen! Sie hat mir das alles
eingepackt."
Die nette Schwester Alina erklärte:
"Sie werden das durchaus benutzen können. Sie dürfen hier jeden Morgen
duschen, wenn Sie möchten. Und einen großen Spiegel haben Sie ja auch für sich
allein!" Schlagartig hob sich meine Laune noch ein bisschen. Das waren ja tolle
Aussichten, vielleicht war diese Station ja doch nicht ganz sooo schlimm…Und,
welch ein unerwarteter Luxus, ab jetzt war Schluss mit den billigen Krankenhausfaltrollstühlen:
Am späten Nachmittag betrat eine junge schlanke Asiatin mein Zimmer. In
perfektem Deutsch mit leichtem Schweizer Akzent erklärte sie mir, sie würde
sich um einen Rollstuhl kümmern, der mir für die Dauer meines Aufenthaltes hier
in der Reha exklusiv zur Verfügung stünde. Nachdem sie sich meine Größe und
mein Gewicht notiert hatte, brachte sie mir wenig später einen - im Vergleich
zu den bisher von mir benutzten Exemplaren durchaus schicken fahrbaren
Untersatz in metallicrot mit einem hohen Sitzkissen -damit meine langen Beine entsprechend
reinpassten und stellte ihn direkt neben
mein Bett.
Diesen Stuhl und mich verband eine Art
Hassliebe. Einerseits verlieh er mir im Laufe der Zeit immer mehr Mobilität und
mein Aktionsradius erweiterte sich ebenfalls drastisch, andererseits fiel mein
Blick schon am frühen Morgen, wenn ich die Augen aufschlug, darauf und erinnerte
mich stetig aufs Neue an meine bescheidene Lage! Zudem hatte die fähige
Rehatechnikerin (so stellte sie sich vor) mit scharfen Blick registriert, dass
meine Füße ganz unten am Bettende anstießen und binnen fünf Minuten dafür
gesorgt, dass ich ein "Übergrößenbett" erhielt, was etwa zwanzig
Zentimeter länger und damit wesentlich bequemer als das Vorige war. Langsam
kapierte ich, dass diese Station vielleicht patientenmäßig etwas gewöhnungsbedürftig
war, aber ansonsten in puncto Service und Freundlichkeit des Personals absolute
fünf Sterne verdiente.
Kapitel Zwölf
Vierzehn Tage verbrachte ich insgesamt
auf der Früh-Reha, und lernte erstaunlich viel dabei. Vor allem Demut meinem
Schicksal gegenüber, welches im Vergleich zu dem der Mitpatienten plötzlich gar
nicht mehr so schlimm erschien.
Ich war die Einzige
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