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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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auf der gesamten Station,
die sich - außer dem Personal natürlich   - sprachlich einigermaßen klar und deutlich
ausdrücken konnte. Bei den anderen war das Sprachzentrum betroffen, teils
verstanden sie alles oder wenigstens vieles, konnten aber selbst nur in unzusammenhängenden
Worten oder überhaupt nicht sprechen. Bei einigen von ihnen war das Gehirn
derart geschädigt, dass ihnen normales Verhalten gar nicht möglich war. Und
dabei waren die bettlägerigen Schwerstfälle noch nicht berücksichtigt.
     
    Bereits am kommenden Tag "durfte"
ich in dem Aufenthaltsraum, der mich bei der Ankunft so sehr schockiert hatte, zu
Mittag essen. Alle Patienten, die dazu in der Lage waren, wurden morgens aus
ihren Betten geholt, gewaschen,   angezogen und verbrachten den Tag bei ihren zahlreichen Therapiestunden
oder in "Gesellschaft" der anderen. Da ich Neuankömmling war, begannen
meine Therapien erst am Montag, ich würde also drei Tage `nutzlos` hier herumhängen.
Aber wie versprochen kam morgens Schwester Ruth und half mir, eine Dusche zu
nehmen.
  Das klingt harmlos, bedurfte aber immer
noch einiger Vorbereitungen, wenn man sich wie ich nur sehr eingeschränkt
bewegen konnte. Zuerst polsterte sie meine Rollstuhl mit einem großen weißen
Duschtuch aus, dann wurde ich, so wie Gott mich schuf, da hinein umgesetzt. Ich
rollte selber ins Bad, dort befand sich in der großen ebenerdigen Dusche ein
Klappsitz mit seitlich wegklappbaren Halterungen. Stellen Sie sich das ähnlich
vor wie bei einer Behindertentoilette. Genau, auf die wurde ich vor dem Duschen
auch noch gesetzt. Danach wurde ich dann wieder in den Rollstuhl umgesetzt und
von dort aus auf den Duschsitz "bugsiert". Glücklicherweise war ich
endlich in der Lage, mich allein einzuseifen und bei Bedarf das Haar zu waschen.
    Als ich damit fertig war, klingelte ich
nach ihr und Ruth setzte mich wieder in den normalen Rollstuhl.
    Da ich aber nach wie vor wegen meines
rechten nicht kontrollierbaren Fußes und der noch fehlenden Kraft im linken
Bein allein mein Körpergewicht nicht tragen und umsetzen konnte, trocknete sie
mir noch auf dem Duschstuhl die Beine und Füße ab, zog mir wegen der
Ausrutschgefahr Socken und mein schickes Schuhwerk drüber und dann folgte der
mittlerweile bekannte Transfer in den Rollstuhl. Soweit ich es konnte, rieb ich
dann den Rest meines Körpers trocken und zog mich mit ihrer Hilfe an.
    Und dann kam der Teil, den ich
besonders genoss, weil ich dabei endlich meine Privatsphäre hatte: Ich föhnte,
kämmte und schminkte mich vor meinem Waschbecken mit dem schräg gestellten
großen Spiegel, damit ich vom Sitzen aus hinein sehen konnte.
    Schließlich stand ich in meinem
fahrbaren Untersatz unschlüssig in meinem Zimmer und fragte mich, was jetzt tun?
Michael, der die Station leitete, war morgens kurz bei mir gewesen. Da ich eine
`mündige` verständige Patientin war - nochmals bestätigte er mir, damit eine
der absoluten Ausnahmen auf der Frühreha zu sein - erhielt ich die
Sondererlaubnis, mich jederzeit auch in meinem Zimmer aufhalten zu dürfen. Innerlich
wuchs ich bei seinen Worten um zehn Zentimeter. Ich war eine der Guten! Im
wahrsten Sinne des Wortes! Und vergaß für eine Minute, was mich von Gesunden
alles trennte. Michael bat mich, "Aber für uns ist es leichter, wenn Sie
zum Mittag- und Abendessen nach vorne kommen könnten. Fühlen Sie sich dazu in
der Lage?" Ich begriff, dass er damit nicht meinte, ob ich meinen Rollstuhl
nach vorne fahren konnte, sondern, ob ich seelisch stabil genug war, mein Essen
zusammen mit den anderen einzunehmen. Ich bejahte spontan. Solange ich das
Gefühl hatte, vom Personal für voll genommen zu werden, und das hatte ich hier
uneingeschränkt, machte es mir wirklich nichts aus, mich zu denen zu setzen, die
schlechter dran waren. Ich schmökerte die folgenden zwei Stunden in meinem
Thriller mit dem gelähmten Ermittler, mein Steißbein schmerzte jetzt schon vom
"langen" Sitzen und gegen halb zwölf rollte ich meinen Stuhl
unbeholfen durch den Gang nach vorne.
     
    Dasselbe apokalyptisch anmutende Bild
wie gestern bot sich mir und unschlüssig darüber, wo ich mich dazustellen sollte,
verharrte ich. Eine Schwester winkte mich zu ihrem Tisch hin und ich stellte
meinen Rollstuhl neben dem einer zierlichen Frau mit kurzgeschnittenen grauen
Haaren, die mich schüchtern anlächelte, ab.
    Ein voller Teller wurde vor mich hin
gestellt und dann blieb die Schwester abwartend neben mir, bis ich die Gabel
links

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