ZITRONENLIMONADE (German Edition)
nebeneinander standen. Nahezu alle Therapieplätze waren bereits belegt.
Eine etwas mollige attraktive Blondine mit Pferdeschwanz in meinem Alter kam auf
mich zu.
" Hallo, Frau Salten", lachte
sie mich an. Sie begrüßte mich mit einem kräftigen Händedruck und gewann sofort
meine uneingeschränkte Sympathie. " Sie müssen es sein, denn nur Sie sind
von allen Patienten auf der Station in der Lage, allein hierher zu kommen. Ich
bin für die Dauer Ihres Aufenthalts in der Frühreha Ihre Therapeutin und heiße
Franziska, aber nennen Sie mich Franzi. Es gibt unendlich viele Übungen, die
wir hier machen können. Ich will aber, dass Sie hoch motiviert sind und gut mit
arbeiten. Und deshalb sagen Sie mir einfach: Was möchten Sie am allermeisten
wieder beherrschen? Sagen Sie jetzt bitte nicht " Laufen", denn das
ist das oberste Ziel. Wir müssen klein anfangen. Gibt es irgendetwas in ihrem
jetzigen Alltag, was Sie lernen wollen?" Ich musste nicht lange überlegen.
" Oh ja, ich würde furchtbar gerne
allein vom Bett in den Rollstuhl und wieder zurückkommen, damit ich nicht jedes
Mal eine Schwester holen muss. Und auf die Toilette möchte ich allein und unabhängig
gehen können."
Ich liebte Franzi vom ersten Tag an. Sie
unterstützte meinen Wunsch nach Unabhängigkeit uneingeschränkt. Für den
Transfer Bett-Rollstuhl und umgekehrt besorgte sie mir sofort ein sogenanntes
"Rutschbrett". Sah aus wie ein Skateboard ohne Rollen. Ich lernte
noch an diesem Tag, wie ich neben mein Bett mit dem Stuhl hinfahren musste, den
Stuhl - immer ganz wichtig - mit der Feststellbremse fixierte, damit er
nicht ins Rollen kam - und das Brett dann halb unter meine linke Pobacke, die
ich anheben konnte, klemmte, das andere Ende auf die Sitzfläche vom Bett, die
Armlehne hochklappte und mich dann zentimeterweise mit der gesunden Seite voran
auf dem Po hinüber auf die Bettkante ziehen konnte.
Sie meinen jetzt vielleicht, dass ich
doch auf meiner gesunden Seite aufstehen
und mich einfach hätte umsetzen können. Weit gefehlt. Auch da hatte ich,
geschwächt durch Operation und langes Liegen, sehr wenig Kraft, außerdem
brauchte man zum Aufstehen nicht nur eine, sondern die Muskeln beider Körperseiten.
Ich war zutiefst dankbar für dieses Rutschbrett. Und von diesem Tag an, was
Mobilität anging, völlig autark, hurra! Der Toilettengang stellte trotz
Rutschbrett eine größere Herausforderung dar, da man sich ja irgendwann die
Hose herunterziehen und danach wieder hoch ziehen musste. Und da man das
generell im Stehen oder in der Hocke tat - für mich noch unmöglich - "tricksten" Franzi und ich.
Wir übten das Hinüber-Rutschen von
Rolli auf den Toilettensitz und wenn ich das geschafft hatte, wurschtelte ich
mir im Sitzen die Hose, indem ich mich wand wie eine Schlange mit Blähungen,
irgendwie herunter und danach wieder hoch. Es war mir völlig egal wie, ich war
total glücklich, meine Ausscheidungen endlich unabhängig vom Pflegepersonal
loswerden zu können!
Und Franzi erklärte mir, "wir
werden Ihre Muskeln so aufbauen, dass Sie bald zumindest allein mit der linken
Seite wieder aufstehen können, dann hat sich das Rutschbrett erübrigt! Aber ich
warne Sie, " fügte sie mit einem Grinsen hinzu, " wenn Sie zu gut
sind, kommen Sie von der Frühreha auf eine andere Station, dann haben Sie
andere Therapeuten!"
Diese Aussicht beflügelte mich trotz
des dann anstehenden Verlusts von Franzi. Neben der Physiotherapie hatte ich
zudem Ergotherapie, das war Spezialtraining für den betroffenen rechten Arm und
die Hand. Die war allerdings erst für morgen auf dem Plan eingetragen.
Am ersten Tag stand vor dem Mittagessen
auch noch ein Besuch bei der Logopädin, der Sprachtrainerin, an, die ihr Büro
gleich neben meinem Zimmer hatte. Maria gewann meine Sympathie dadurch, dass
sie nach wenigen Worten Unterhaltung mit mir feststellte, ich sei zu gut, um
Logopädie zu benötigen. Meine noch immer langsamere Ausdrucksweise sowie die
Wort- und Wortteilwiederholungen, die sich gehäuft einschlichen, hielt sie für
vorübergehende Erscheinungen, die sich legen würden, je mehr ich spräche. Als
sie hörte, dass ich eine absolute Leseratte war, schlug sie mir vor: "Lesen
Sie sich einfach in ihrem Zimmer laut vor und unterhalten Sie sich, so oft es
geht, mit anderen. Das ist Sprachtraining genug!".
Und den verbleibenden Rest der Stunde erzählte
sie mir, sie habe sich vor zwei Jahren bei einem Kletterunfall ihr linkes Knie derart
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