Zitronentagetes
ich recht?«
»Erzähl mir von deinen Wünschen«, forderte er sie auf, statt zu antworten.
»Was ich mir seit Langem wünsche … ich habe es seit Jahren ignoriert … aber … ich möchte nach Deutschland, meine Eltern wiedersehen.«
Marc erschrak bei dem Gedanken. »Besuchsweise.« Das hoffentlich stellte er nicht voran, obwohl er das Wort irgendwie in der Schwebe hielt.
»Weiß ich nicht. Mal sehen, wann ich das Geld für ein Flugticket zusammenhabe. Bis dahin vergeht noch einige Zeit. Nur, was wird aus den Patienten im Krankenhaus, um die ich mich kümmere?«
»Liegst du bequem, um einschlafen zu können?«
»Ja, danke der Nachfrage. Wieso?«, wollte Flo wissen.
»Könnte sein, dass dein Heiligenschein oder die Stelle an den Schulterblättern, wo die Engelsflügel wachsen, ganz schön drückt«, sagte er.
»Was hast du denn auf einmal? Willst du zanken?«
»Nein, entschuldige.«
»Soll ich gehen?«
»Nein, Flo. Ich will, dass du bleibst …« Für immer, dachte Marc schweren Herzens.
Die letzte Septemberwoche begann. In den Büschen und Sträuchern glitzerten am Morgen die Spinnweben. An ihnen hingen Hunderte winziger Tautropfen. Am späten Nachmittag läutete das Handy, gerade, als er zu einem Kunden außerhalb der Stadt unterwegs war.
»Marc.« Jenny klang atemlos. Ihre Stimme hatte sich niemals schriller angehört.
»Ja?«
»Rosie ist weg!«
»Wie, weg?«
»Verschwunden.«
Ihm wurde eiskalt.
10. Kapitel
G eorge betrat das erstbeste Internetcafé, bestellte Espresso und einen Bagel, und machte sich an die Arbeit. Es dauerte nicht lange und er hatte die gewünschten Informationen. Rasch verwarf er den Gedanken, zunächst telefonisch einen Termin zu vereinbaren. Er fuhr auf direktem Weg hin und fand das Gebäude, in dem Masterson sein Büro angemietet hatte, auf Anhieb. Charmant wickelte er die Vorzimmerdame um den Finger und erreichte so nach zehn Minuten, dem Chef gegenüberzusitzen.
»Ich bin überrascht, Sie hier zu sehen, Mr. Cumberland. Was führt Sie zu mir?«, sagte Rafe nicht unfreundlich. Er erinnerte sich sofort wieder an den Fall.
»Was kostet es mich, wenn ich Sie beauftrage, unseren Mr. Unbekannt zu finden?«, wollte George unumwunden wissen.
»Es ist etwas befremdlich, dass ausgerechnet Sie mir Ihr Vertrauen schenken wollen«, gab Masterson zu. »Ich muss Sie jedoch darauf hinweisen, dass wir keine Detektei, sondern eine Sicherheitsfirma sind. Wir befassen uns mit allen Belangen, die sich um Sicherheit drehen.«
»In gewisser Weise hat mein Anliegen damit zu tun. Außerdem kennen Sie alle Fakten, die mit dem Fall zusammenhingen.«
»Die Polizei auch«, konterte Masterson.
George stieß ein müdes Lachen aus. »Sie wissen, dass ein Mann wie ich dort keinerlei Auskünfte erhält.«
»Was genau wollen Sie wissen?«
*
Flo war regelrecht aufgeregt. Sie hatte hin und her überlegt, während sie vormittags im Schönheitssalon ihren Verrichtungen nachging. Ihr Bauchgefühl hatte ihr keine andere Wahl gelassen. Daher war sie mittags in den Teeladen gelaufen und hatte sich mit der Verkäuferin unterhalten – über Liza Peterson. Sie hatte jede Menge Brauchbares erfahren. Liza schien nicht besonders beliebt gewesen zu sein. Ihre Kollegin benutzte Worte wie sonderbar, wechselhaft, überdreht, anfällig, ordentlich, wunderlich. Sie beschrieb, dass Liza bei sehr freundlichen Männern beinahe ausgetickt war, weil sie dahinter billige Tricks vermutete, um sie anzumachen. »Manchmal war sie unkonzentriert oder meldete sich krank. Wollte am nächsten Tag die versäumte Zeit aber wieder nacharbeiten und entschuldigte sich dann im Übermaß. Sie schrieb an jeden Mitarbeiter, der ihretwegen mehr hatte arbeiten müssen, Briefe. Liza wollte unbedingt gut sein, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Flo setzte alles auf eine Karte und marschierte schnurstracks in McNamarras Kanzlei. Sie berichtete dem Anwalt, was sie soeben erfahren hatte. So entging sie der Gefahr, ein winziges Detail zu vergessen. Bill bedankte sich und versprach, dass er und sein Team sich darum kümmern würden.
Sie wollte Marc so gern helfen und erinnerte sich wieder an den Abend auf seinem Sofa. Wie sie plötzlich den starken Drang verspürte hatte, auf seinen Schoß zu klettern, ihre Beine um seine Hüften zu schlingen und ihre Hände in seinem Nacken zu verschränken.
George betrat sein Hotelzimmer und überlegte. Es könnte schlechter sein. Rafe hatte ihm die Unterlagen von
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