Zitronentagetes
Kopf. »Ich werde den Käse im Lieferwagen ausfahren. Vorerst nicht der schlechteste Job.«
»Sehe ich auch so.«
Eine Zeit lang wusste Marc nicht, was er sagen sollte.
»Von der Polizei hat sich noch niemand bei mir gemeldet«, ergriff Scott irgendwann wieder das Wort.
Marc sah ihn verständnislos an. Endlich begriff er. »Da wird nichts mehr kommen.«
»Du hast nicht …«
»Nein, ich habe den Vorfall nicht zur Anzeige gebracht. Und bevor du vielleicht weitere Schlüsse ziehst, ich mache auch nicht deine Frau dafür verantwortlich, dass man mir mein Bein abgenommen hat.« Das stimmte, er hatte sich mit Liz unterhalten. Wenn er sich nicht mit den MRSA-Keimen infiziert hätte, wäre sein Bein noch dran. Flüchtig hatte er erwogen, das Krankenhaus zu verklagen, aber ihm würde ein langer Kampf bevorstehen. Mit einem mehr als fraglichen Ergebnis. Wollte er das tatsächlich? Er wusste es nicht. Vor allem, weil die Amputation irreversibel war. Marc zog ein kleines Papier aus der Tasche. »Wie hoch war die Versicherungssumme?«
»Zwanzigtausend.«
Kein Pappenstiel. Marc überschlug rasch ein paar Summen im Kopf. »Glatt?«
»Was soll das? Ja.«
Er zückte seinen Kugelschreiber, ging in die Küche und setzte die Ziffer auf den Scheck. »Für deine Tochter, okay? Leg es gut an, lass dich am besten beraten.« Schon war er wieder an der Tür.
»Moment, warte .« Scott trat dicht hinter ihn. »Das … das kannst du nicht machen.«
»Ach ja, nenn mir drei Gründe, warum.«
Scott holte tief Luft, aber statt einer Antwort verpuffte sein Atem. »Danke«, murmelte er. »Vielen Dank.«
»Sei still. Und verlass dich drauf, ich werde nach Vermont kommen.« Sie gaben sich zum Abschied die Hand.
*
Der Frühling hatte lange auf sich warten lassen, aber endlich war er da und startete sogleich mit sagenhaften zwanzig Grad. Flo konnte sich vor Arbeit kaum retten. Schweren Herzens gab sie ihre Aktivitäten im Krankenhaus auf, nicht, ohne eine würdige Nachfolgerin zu berufen. Die Frau, die sie per Zufall im Salon kennengelernt hatte, war sehr wohlhabend, aber einsam. Sie hatte zu kaum jemandem in der Stadt Kontakt.
Flo beobachtete, wie die Dame, beflügelt durch ihr neues Ehrenamt, aufblühte. So hatte sie also gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Im Geiste klopfte sie sich auf die Schulter. In zwei Wochen würde sie auch zum letzten Mal als Angestellte den Schönheitssalon betreten. Zukünftig nur noch als Kundin. Ihre Einnahmen wuchsen. Val hatte sie benachrichtigt, dass seine Mutter im März gestorben war. Er habe zwar seinen Job wieder, müsse aber den Kredit, den er für die Behandlungskosten aufnehmen musste, weiter abzahlen. Es würde demnach noch eine Weile dauern, bis er die Alimente für Kevin wieder überweisen könne.
Die Eintragungen in ihrem Haushaltsbuch ließen sie frohlocken. Nächsten Monat, im Mai, würde sie das Flugticket für sich und Kevin nach Berlin zusammengespart haben. In diesem Sommer konnte ihr Junge endlich seine Familie kennenlernen. Bald würde sie ihm die gute Nachricht servieren. Flo überflog in ihrem Belegexemplar noch einmal die Gartenkolumne, die sie im März geschrieben hatte, als sich Marc über sie beugte und sie küsste. »Hallo Birdie, immer noch fleißig?«
Sie tippte auf den Artikel.
Wie nicht anders erwartet, schossen seine Augenbrauen in die Höhe. »Der Griffel nimmt den Lilien die Unschuld« , las er laut. »Du suchst dir aber auch immer schlüpfrige Themen. Ich sollte empört sein.«
»Ja, besonders im Hinblick auf deine Erziehung.« Flo freute sich, wie gut es Marc ging. Im Februar hatten sie gemeinsam ein verlängertes Wochenende in Aspen verbracht. Marc hatte sich in der Orthopädiewerkstatt der Klinik eine Prothese anfertigen lassen, mit der er nun auch in der Lage war, zu joggen. Die halbmondförmig gebogene und mit einer sensationellen Federung versehene Leichtmetallstelze faszinierte sie. Mit einem Bein hatte sie rein optisch wenig gemein, wohl aber mit dessen Funktion. Flo liebte das Ding, da es Marc wieder zum Strahlen brachte. Fast täglich joggte er auf seinen alt vertrauten Strecken.
Sie machte sich noch ein paar Stichpunkte für ihre nächste Kolumne. Es würde um ein Aurikeltheater gehen. Blumen, Pflanzen und Elfen waren auch in ihren farbenfrohen Quilts vorherrschend.
Abends überraschte sie Marc nach dem Duschen. »Was sehe ich da für eine nette Solitärstaude?« Sie blickte ungeniert an seinen Hüften abwärts. Alles in ihrem
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