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Zitronentagetes

Zitronentagetes

Titel: Zitronentagetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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Friseurkundin zu Hilfe, und bereits zwei Tage später hatte sie Namen und Adresse der Familie auf eine gelbe Haftnotiz gekritzelt. Sie verglich die Adresse mit dem Eintrag im örtlichen Telefonbuch und wurde fündig. Am Nachmittag überreichte sie Marc den Zettel.
    »Was hast du vor?«
    »Gehört es sich nicht, dass ich mich bei dem Ehemann melde? Immerhin habe ich seine Frau auf dem Gewissen.«
    Flo musterte ihn. Er sah wieder schlechter aus. Um seine Augen lagen dunkle Ringe, das Haar war ungekämmt und viel zu lang, einige Strähnen hingen ihm tief in die Stirn. Seine Wangen zierten Stoppeln eines Dreitagebartes. Es war, als hätte er das Wort Resignation auf seine mürrische Kinnpartie tätowiert.
    Sie seufzte leise.
    Argwöhnisch sah er sie an. »Was ist?«
    »Nichts. Was soll denn sein?«
    »Das weiß ich doch nicht. Wäre ja immerhin möglich, dass du auch was an mir auszusetzen hast. Wie jeder hier in diesem verdammten Krankenhaus.«
    »Ist das so?« In Ermangelung eines passenden Gesprächsthemas berichtete sie ihm, dass es im Schönheitssalon derzeit nicht viel zu tun gäbe, so kurz nach Weihnachten. Daher hatte sie heute schon früh Feierabend machen und zeitig zu ihm kommen können.
    Eine Schwester betrat das Zimmer, um das Geschirr vom Mittag abzuräumen. »Hat es Ihnen nicht geschmeckt, Mr. Cumberland? Sie haben kaum etwas angerührt.«
    »Dann sollten Sie vielleicht flinker auf den Füßen sein und das Essen halbwegs warm servieren. Diese lauwarme Pampe kann kein Mensch runterbringen.«
    Flo hob die Brauen.
    Kurz darauf kam eine medizinische Assistentin aus dem Labor. Als sie Marc unglücklich in den Finger stach, herrschte er auch sie an.
    »Du hast ja richtig den Bogen raus, wie man mit seinen Mitmenschen umgeht.«
    Wütend fuhr sein Kopf herum.
    »Was bringt es, die Schwestern hier zu beleidigen?«
    »Irgendein Hobby braucht man schließlich.«
    Mit erhobenen Handflächen signalisierte Flo ihm eine Art Nicht-Angriffs-Pakt. »Weißt du, mit Weihnachten ist es komisch. So, als würde ein bisschen die Zeit stehen bleiben. Es kommt keine Zeitung, auch keine Post, unliebsame Gedanken schiebt man weg, sogar unbezahlte Rechnungen müssen bis danach warten. Man lebt in einer Art Vakuum oder Sprechblase, wie in einem Comic. Lass uns zusammen Kreuzworträtseln.«
    Eine Weile bewegten sie sich so auf sicherem Terrain. Bis Marc verächtlich schnaufte. »Bantustamm in Natal? Oder hier: südamerikanisches Zweifingerfaultier … Herrgott, wer weiß denn so was?« Er schmiss die Zeitschrift fort.
    Elizabeth Tanner kam herein. »Hallo Flo, die Feiertage gut verlebt?« Sie wandte sich gleich an Marc, der sie mürrisch anstarrte. »Heute habe ich zur Abwechslung was Gutes zu berichten. Die Infektion ist überwunden, sodass es ab sofort nicht mehr nötig ist, Abstriche zu entnehmen. Es geht mit großen Schritten aufwärts, Marc.«
    Er stieß einen verächtlichen Laut aus. »Hast du deine Spitzfindigkeiten von der Klugscheißer-Mafia? Was bitte soll denn hier aufwärtsgehen? Oder glaubst du im Ernst, mir wächst ein neues Bein?«
    Ihre Lippen zitterten leicht vor Empörung. »Wie redest du mit mir? Ich dachte, wir wären Freunde.«
    Sein ganzes Gesicht drückte Verachtung aus. »Wer solche Freunde hat, braucht wahrlich keine Feinde mehr.«
    Ohne ein weiteres Wort verschwand Liz aus dem Zimmer.
    »Jetzt bist du schockiert …«, stellte er fest, wich ihrem Blick allerdings aus.
    Sie ließ ihn eine Weile ihrem Schweigen lauschen.
    »Ich kann es dir nicht verdenken. Sicher verspürst du nicht die geringste Lust, mich weiterhin zu besuchen.«
    Flo hob die Zeitung auf, die er auf die Erde geschleudert hatte.
    »Herrgott, Flo, sag doch was. Du kommst nicht mehr?«
    Es irritierte ihn offenbar, dass ausgerechnet sie als Schnatterliese so lange ihren Mund hielt.
    »Schön, machen wir es kurz. Dann lautet deine Antwort Nein ?«
    »Ja.«
    Er sah aus, als machte sich ein überraschend garstiger Schmerz in seinem Innern breit.
    In seinen Augen schimmerten plötzlich Tränen. Sie vergaß alle Beschimpfungen, die gerade noch auf ihrer Zunge gelegen hatten. »Das hättest du wohl gern, damit du in deinem triefenden Selbstmitleid noch jemanden verdammen kannst.«
    Vollkommen aus dem Konzept gebracht, blinzelte er sie an.
    »Wie wäre es, wenn ich dir helfe, deine Haare zu waschen? Sie sehen ein wenig pommesgelb aus.«
    »Das brauchst du wirklich nicht.«
    »Es macht mir nichts aus. Wo finde ich einen Rollstuhl? Ich karre dich zum

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