Zitronentagetes
Hehl daraus gemacht, wenn er nackt war. Für ihn war es einfach nur natürlich. Plötzlich erinnerte er sich auch, dass es deswegen hin und wieder Streit zwischen seinen Eltern gegeben hatte. Megan war zwar stets darauf bedacht, die Türen zu schließen, aber einige Worte hatte Marc doch aufgeschnappt. Hatte sie seinen Vater wirklich aus so einem Grund gescholten? Lächerlich. Bestimmt hatte er da etwas falsch verstanden. In einem Punkt hatte sie allerdings recht. Er war genau wie sein Dad. Selbst jetzt dachte er an Sex und Frauen. Allerdings ohne dass sich in seinen unteren Regionen etwas regte. Und die Gedanken waren schließlich frei, oder nicht? Trotzdem sackten seine Schultern nach vorn.
»Hier?«, fragte Megan ungläubig und stellte den Motor ab. »Das ist ja in der unmittelbaren Nachbarschaft. Was sollen denn die Leute sagen?«
Ist mir scheißegal. Nachsichtig lächelte er seine Mutter an.
Flo und Kevin bogen gerade in die Zufahrt ein. Sie begrüßten die Ankömmlinge fröhlich. Megan gab beiden unterkühlt die Hand. Ihr Blick sprach Bände. Marc verging sich an einer alleinstehenden Mutter. Sie war zutiefst erschüttert, stellte daher seine Taschen auf den Gehweg und verschwand rasch wieder.
Flo und Kevin schleppten die Sachen hinein. Ihm war das peinlich, er griff wenigstens nach einem der Henkel und nahm Flo so ein bisschen der Last ab. »Hallo Sportsfreund«, sagte er zu dem Jungen, der ihn jetzt seinerseits argwöhnisch musterte. Kevin blieb stumm und zog die Stirn kraus. Irgendetwas stimmte hier nicht.
»Kevin?«, hakte Flo nach.
Der Junge warf erst ihm und anschließend seiner Mom einen Blick zu. »Ziehst du hier ein?«, nuschelte er.
»Ja.«
Die Tasche landete mit einem Rums auf dem Boden.
»Ist das nicht in Ordnung?«, fragte Marc vorsichtig. Eigentlich hatten sich Kevin und er immer gut miteinander vertragen. Was hatte das zu bedeuten?
»Wie lange?« Kevin baute sich vor ihm auf und verschränkte die Arme vor dem Bauch.
»Äh, ist das wichtig?« Marc war verunsichert.
»Mein Dad kommt nämlich bald zurück. Er hat uns letztens besucht. Es dauert bestimmt nicht mehr lange, bis er wieder da ist.«
Flo hielt mitten in der Bewegung inne. »Schätzchen, ich glaube, du bringst da etwas durcheinander. Daddy war nicht hier, um …«
»Du lügst«, rief Kevin und rannte nach oben in sein Zimmer. Die Tür knallte zu.
»Scheiße.«
Flo seufzte. »Er fürchtet, wir beide hätten was miteinander.«
»Ja, das wäre schlimm.« Ihr entging die Ironie in seiner Stimme.
»Nö, nur vollkommener Quatsch.«
»Mhm.« Wie lustig.
»Er wird sich schon wieder beruhigen.« Erwartungsvoll grinste Flo ihn an. »Ich bin engagiert, ist das nicht toll?«
»Großartig«, antwortete er so enthusiastisch wie ein Rentner auf Valium.
»Mir war gar nicht bewusst, dass ich so gut formulieren kann. Und jetzt habe ich den Job.« Sie schäumte förmlich über.
»Telefonsex? O gut, dann bin ich dein erster Kunde. Es scheint mir bei deinen Fähigkeiten allerdings recht sinnvoll, vorab einen Rabatt auszuhandeln.«
Sie kicherte vergnügt. »Schwachkopf! Männer müssen immer nur an Sex denken.«
Wirklich? Er erschrak.
Dessen ungeachtet berichtete Floriane ihm in aller Ausführlichkeit über die vergangenen Stunden, die sie mit Liz, Vicky und dem Baby verbracht hatte. Die Tanners hatten also ein kleines Mädchen, Jaques war beigesetzt worden, es wurde Frühling, man munkelte von einem neuen Besitzer für Marthas Pub, Irene Reinhold war wieder zum Patchworktreff erschienen, aber die allgemeine Stimmung war unterkühlt gewesen. Das Leben lief demnach ganz normal weiter. Nur nicht für ihn.
Victoria hatte Flo also einen Job gegeben. Auch wenn sie sich scheinbar ausgegrenzt fühlte, sie war durch und durch eine Tanner. Äußerlich ähnelten sich die Geschwister sehr: groß gewachsen, schwarzes Haar, dunkler Teint. Besonders die Schwestern glichen einander frappierend. Vom Wesen her unterschieden sie sich allerdings gewaltig. Angelina hatte er heute am Telefon zur Schnecke gemacht. Eine gute Gelegenheit, auf der ganzen Strecke mit ihr abzurechnen. Ihre selbstgerechte Art war ihm schon als Teenager auf den Keks gegangen. Dieses mütterliche, gluckenhafte Getue, wenn es um Josh gegangen war, und wie sie es immer wieder geschafft hatte, ihren Bruder um den Finger zu wickeln. Selbst wenn er oder die anderen Jungs aus der Clique Josh deswegen aufgezogen hatten, war der Spott an seinem Freund abgeperlt – einfach so. Wenn sich
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