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Zitronentagetes

Zitronentagetes

Titel: Zitronentagetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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Malerei ist also ad acta gelegt.« Es klang nicht wie eine Frage.
    »Sagen wir einfach, ich experimentiere gern.« Dabei warf sie Marc einen durchdringenden Blick zu und zwinkerte.
    Ihm blieb fast die Luft weg. Bildete er sich das nur ein oder flirtete sie mit ihm? »Fotografieren ist doch nichts Besonderes. Das kann schließlich jeder.« Es juckte ihn, sie ein bisschen aus der Reserve zu locken.
    »Da irrst du dich gewaltig. Ich würde dir gern den Unterschied zeigen. Hast du Lust?«
    Immer. Gegen Abend fuhren sie alle gemeinsam nach Tanner House und Vicky zeigte ihm Fotos. Einige davon kannte er längst, Schnappschüsse, die das Familienleben der Tanners dokumentierten. Daneben legte sie andere Aufnahmen – und er begriff. Es war verblüffend, was sie mit Gesichtern machen konnte. Am besten gefielen ihm die Schwarz-Weiß-Bilder. Sie war nicht mehr das Mädchen, das er von früher kannte, sondern eine Frau, und sie faszinierte ihn. Er riss den Blick von den Fotografien und musterte sie eingehend.
    Als sie es bemerkte, sah sie ihn an. »Was ist?«
    Er wollte nicht, dass sie ihn durchschaute. »Das sind doch bloß Gesichter«, warf er rasch ein.
    Sie runzelte die Stirn. »Stimmt, und du bist ein Kind.«
    Er war beleidigt und hätte sich am liebsten wegen seiner blöden Bemerkung auf die Zunge gebissen.
    »In der Kunstschule beschäftigen wir uns nächstes Semester mit Aktfotos. Aber es ist natürlich ungleich schwerer, Modelle zu finden. Du hast nicht zufällig Interesse an einer Aufbesserung deines Taschengeldes?«
    Wollte sie ihn allen Ernstes fotografieren – nackt? »Mal sehen. Ich lasse mir deinen Vorschlag auf alle Fälle durch den Kopf gehen«, antwortete er einen Hauch zu großspurig.
    Sie grinste. »Tu das.« Victoria lachte übermütig.
    Er hoffte, sie würde sich nicht über ihn lustig machen. »Wie viel ist dir so ein Aktmodel denn wert – nur aus Interesse?«, fragte er unverblümt.
    »Das kommt ganz darauf an.« Geheimnisvoll sah sie ihn an und zwinkerte.
    Worauf?, hätte er am liebsten nachgehakt, doch diese Frage würde ihn erst recht als unerfahren abstempeln. Daher verkniff er sie sich und in seinem Kopf begann sich bereits ein Film abzuspulen, der die verschiedenen Möglichkeiten beleuchtete. Leider blieben diese Ahnungen allzu unscharf. »Fünfzig Dollar müssen aber wenigstens drin sein. Darunter bin ich nicht zu haben.« Zum Glück hatte er den Stimmbruch hinter sich, sodass er immerhin männlich klang.
    »Klar.«
    Fünfzig Mäuse, Alter … Es wäre leicht verdientes Geld. Sein Vater hielt ihn ziemlich knapp – brauchte den Zaster für seine außerehelichen Ausflüge. Und diese Summe war nicht zu verachten. Doch vielleicht hatte Vicky ihm nur etwas vorgesponnen und es gar nicht ernst gemeint. Über diese Möglichkeit grübelte er noch immer nach, als er längst wieder im Ort war und den alten Hafen, ihren üblichen Treffpunkt, anvisierte. Josh war auf Tanner House geblieben. Ein Muss an dem Abend, an dem Vicky in St. Elwine eintraf. Marc erzählte dem dicklichen Michael von Victorias Jobangebot.
    »Fünfzig Äppel«, pfiff dieser durch die Zähne. »So viel Glück hast du nicht, Cumberland.«
    »Wart’s ab.«
    »Ich stelle mich auch zur Verfügung.«
    »Wer will dich Dickmops denn nackt sehen? Kannst du mir das mal erklären?«
    Michael drohte ihm mit der Faust.
    Die Ferienwochen flogen nur so dahin. Mit keinem Wort erwähnte Vicky das Gespräch des ersten Abends. Wie immer stand er am alten Hafen und hoffte, dass sich auch die anderen einfinden würden. Er rauchte eine Zigarette und sah in den Augenwinkeln, dass sich jemand näherte. Rasch ließ er die Zigarette in der hohlen Hand verschwinden.
    »Gib dir keine Mühe! Der Trick ist so alt, den kennt doch jeder.«
    Er erkannte Victoria und war erleichtert, dass nicht sein alter Herr hier aufkreuzte. Der pirschte oft, auf der Suche nach Frischfleisch, durch die Gegend.
    »Hast du’s dir überlegt?«
    Er wusste sofort, was sie meinte. Augenblicklich fiel ihm das fetzige Autoradio ein, das er nur zu gern gehabt hätte. »Sicher.«
    Sie drehte sich um und ging davon. »Was stehst du da noch herum?«, rief sie ihm über die Schulter zu.
    Ach herrje, sie meinte es ernst, und wenn er jetzt kniff, hätte er ein für alle Mal verspielt. Also folgte er ihr in angemessenem Abstand. Er rauchte die Zigarette zu Ende. Es beruhigte seine Nerven nicht. Marc spürte deutlich seinen Herzschlag.
    Als er seinen Wagen erreichte, saß sie auf der

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