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Zitronentagetes

Zitronentagetes

Titel: Zitronentagetes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Orlowski
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humpelte ins Bad. Welch ein Glück, dass hier früher ein alter Mann gewohnt hatte und die Dusche mit einem Klappsitz ausgestattet war. Er ließ eiskaltes Wasser auf sich niederprasseln, um wieder einigermaßen klar zu werden. Die Nebenwirkungen der Opiate gefielen ihm nicht. Aber er brauchte sie, um den Phantomschmerz in Schach zu halten.
    Marc trocknete sich gründlich ab und zog den Silikonüberzug über seinen Stumpf. Nur widerwillig hatte er sich an den Anblick gewöhnt.
    Um dem Raum optisch mehr Größe zu verleihen, war eine Wand an der Duschverkleidung mit Spiegelfliesen beklebt. Marc stellte sich seitlich davor und drehte den Kopf. Nur seine linke, intakte Körperhälfte war im Spiegelbild zu sehen. In einigen Fällen half der Anblick, das Gehirn auszutricksen. Der Phantomschmerz ebbte ab oder blieb gänzlich aus. Er glaubte nicht an solchen Hokuspokus, aber es konnte auch nicht schaden, es auszuprobieren. Tag für Tag stellte er sich daher vor dem Spiegel in Position. Geholfen hatte es bislang wenig. Er schnallte sich die Prothese an. Mittlerweile brauchte er dafür nur noch halb so lange wie am Anfang. Mit Jeans und Pullover bekleidet, machte er sich auf den Weg in die Küche.
    Gerade kam Flo mit der Zeitung unter dem Arm in die Diele. »Brr, ist das kalt geworden. Jetzt braucht der Winter auch nicht mehr aufzutrumpfen. Es ist bereits Frühling. Ich muss nachher gleich im Garten nachschauen, ob die Primeln und Krokusse keinen Knacks bekommen haben. Es weht ein scheußlicher Wind – guten Morgen.«
    »Morgen«, nuschelte er, und sie zog eine Braue hoch.
    »Immer noch schlecht gelaunt? Ich gehe besser nicht darauf ein. Vielleicht sollte ich draußen ein Stirnband tragen. Aber sieht das auch chic aus? Was meinst du?«
    Er musterte sie von oben bis unten. »Du bist doch sonst immer so wunderbar uneitel. Ich kenne wirklich niemanden, der sich so wenig aus seinem Äußeren macht.« Sein Blick blieb an ihrem zweifelhaften Haarschnitt hängen. »Deine Primeln werden sich schon nicht erschrecken und fragen: Wie läuft denn unsere Flo heute rum?«
    »Armleuchter.«
    Marc spürte, wie die Luft vor seinen Augen zu flimmern begann.
    Flo bemerkte sein Schwanken. »Ist dir nicht gut?«
    »Nur ein bisschen mulmig.«
    Sie führte ihn in die Küche, wo er sich setzte.
    »Darf es ein Frühstück sein, holder Herr?«
    Er hatte den Ellbogen aufgestützt, sein Kopf lag in der linken Hand und ein Auge schielte zu ihr hinüber. »Miz Nightingale ist also wieder im Dienst.«
    Was Flo als ein Ja verbuchte.
    »Musst du heute nicht arbeiten?«, wollte er wissen.
    »Es ist Samstag, großer Mann. Ich bin zum Nachmittag bei Victoria Tanner eingeladen. Wir haben einiges zu besprechen. Kevin setze ich vorher bei den O’Brians ab. Wie wär’s, komm doch mit nach Tanner House. Du musst mal ein bisschen raus.«
    Er seufzte leise und hob unschlüssig die Schultern. »Ich überleg’s mir.«
    Bertha und Kevin erschienen und sie frühstückten gemeinsam. Der Junge warf Marc einen finsteren Blick zu.
    »Ich kann auch gern bei mir drüben frühstücken«, bot Marc leise an.
    »So weit kommt es noch.« In Flos Stimme lag eine Schärfe, die er ihr gar nicht zugetraut hätte.
    »Auf den Dielen im Flur ist irgendwas Klebriges«, merkte Bertha an.
    »Das ist meine Schuld. Ich bin immer noch etwas ungeschickt, wenn …« Frustriert brach Marc ab.
    »Schon gut, junger Mann.« Bertha lächelte ihn verständnisvoll an.
    Marc verschwand nach dem Frühstück in seiner Wohnung. Er brauchte weitere Sachen, beispielsweise hatte er nur ein Paar Schuhe hier. Ein Spaziergang konnte sicher nicht schaden. Er schlüpfte in eine warme Jacke, band sich einen Schal um und trat in die Diele. Gerade flitzte Flo die Treppe herunter. Sie trug einen Rollkragenpullover, dicke Socken und einen blassrosa Slip. Erstaunt sah er auf.
    »Ich will raus zu den Blumen. Die warmen Klamotten, die ich bei der Gartenarbeit trage, hängen im Keller.«
    »Sind das Schmetterlinge auf deinem Höschen?«
    In Anbetracht seines schiefen Grinsens zerrte sie rasch am Bund ihres Pullovers.
     
    Seine Mutter schlief gern lange, daher benutzte er den Hausschlüssel. Als das Holz unter seinen Schritten knarrte, fluchte er leise. Früher hatte er stets darauf geachtet, die richtigen Treppenstufen auszulassen. Diesen Luxus konnte er sich heute nicht mehr leisten. Die Schlafzimmertür wurde vorsichtig geöffnet.
    »Marc, hast du mich erschreckt .« Megan stand im Schlafanzug vor ihm.
    Er sah sie

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