Zivilcourage - Keine Frage
länger gewartet als üblich. Dann wären es dreißig Sekunden gewesen und ein Moment. 10
Glaubt man Kurt Singer, würden » viele Bürgerinnen und Bürger sich (…) gerne einmischen, statt wegzuschauen. Aber sie befürchten, ihr Protest könne ihnen schaden. Aus Autoritätsangst heraus schweigen sie oder passen sich an. « Es fällt uns also offenbar leichter, mit der Masse zu schwimmen, als uns gegen Autoritäten oder Gewohntes aufzulehnen. Der Mensch ist ein Herdentier. Sich so zu verhalten wie die anderen, gibt ihm das Gefühl von Sicherheit, Stärke und Zugehörigkeit. So reiht der Einzelne sich ein in die tatenlose Masse der Zuschauer. Wenn all die anderen nicht reagieren, kann es nicht falsch sein, dass ich mich nicht rühre! Wer hingegen hilft, sticht heraus, weil er sich in den Mittelpunkt stellt – auch auf die Gefahr hin, dass die anderen sein Handeln weder verstehen noch ihm zustimmen.
Das Phänomen der Masse haben Wissenschaftler in diversen Experimenten nachgewiesen: So neigen Menschen dazu, einer falschen Antwort wider besseren Wissens zuzustimmen oder sie zu äußern, wenn sie wissen, dass die Mehrheit diese Antwort gibt. Forschungen aus den Niederlanden zeigen, dass Menschen dazu neigen, bedingungslos blind zu gehorchen – ganz gleich wie alt sie sind, aus welchen sozialen Verhältnissen sie stammen, was sie gelernt haben oder wie ihr Charakter ist. Niemand ist also vor blindem Gehorsam gefeit.
Er hatte gesehen, dass noch andere Menschen um den Mann auf dem Bahnhof waren. Er konnte ja nicht wissen, dass es sich dabei um die Kinder handelte, die der Mann vor den Jugendlichen schützen wollte. 10
Bedingungsloser Gehorsam kann so weit gehen, dass Menschen andere verletzen oder sogar ihren Tod in Kauf nehmen, wenn eine Autorität oder Respektsperson sie dazu auffordert. Das wohl bekannteste Experiment dazu führte der amerikanische Psychologe Stanley Milgram durch. Er veranlasste 40 Versuchspersonen, einem eingeweihten Teilnehmer Stromschläge vermeintlich steigender Intensität zu verabreichen, falls dieser eine falsche Antwort auf vorgegebene Fragen gäbe. In Wirklichkeit bekam die Versuchsperson keine elektrischen Schläge. Ein Tonband gab die Reaktion der nicht sichtbaren, zu strafenden Person auf die Elektroschocks wieder: Bei 150 Volt bat das Opfer darum, das Experiment abzubrechen. Bei 180 Volt schrie es, den Schmerz nicht mehr aushalten zu können. Wurden die Stromstöße noch stärker, hämmerte das Opfer an die Wand und flehte um einen Abbruch. Schließlich verstummte es ganz. 26 Probanden erhöhten die Intensität bei diesem Experiment bis zur maximalen, tödlichen Spannung von 450 Volt; nur 14 brachen den Versuch vorher ab. Die Versuchspersonen folgten dabei den autoritären Anweisungen des Versuchsleiters, obwohl diese im direkten Widerspruch zu ihrem Gewissen standen.
Er hat sich in den nächsten Tagen und in den Nächten, in denen er oft aufwachte, gefragt, warum er nicht ausgestiegen war, und er fand Gründe dafür. 10
Hürden beim Helfen überwinden
Menschen, die helfen wollen, stellen unbewusst zunächst einen sogenannten Kosten-Nutzen-Vergleich für ihre Handlung auf. Sie überlegen also, was es ihnen persönlich bringen könnte, einzugreifen: die Anerkennung anderer, das Gefühl, etwas Gutes zu tun, die Vermeidung eines schlechten Gewissens. Diese Fakten werden abgewogen gegen die Kosten, also die Nachteile, die ihnen aus der Hilfe erwachsen könnten: verschmutzte Kleidung, Zeitverlust, eine mögliche Blamage, weil man etwas falsch macht, persönliche Unannehmlichkeiten. Je niedriger die Kosten sind, mit denen der Helfende rechnen muss, desto wahrscheinlicher hilft er. Diese Überlegungen laufen in der Ausnahmesituation unter immensem psychischen Stress ab.
Es gibt verschiedene Effekte, die unser Hilfeverhalten regulieren. Dazu gehören die persönliche Situation und das Umfeld, in der sich die Notsituation abspielt. Wer diese kennt und sie sich bewusst macht, kann sie aktiv durchbrechen und so Hilfsbereitschaft lernen. Nehmen Sie sich die Zeit und überlegen Sie, ob und wie Sie anderen im Ernstfall helfen würden. Schon morgen kann es Ihnen selbst passieren, dass Sie zum Opfer werden und Hilfe benötigen.
Er wäre vielleicht ausgestiegen, wenn ihn jemand gefragt hätte. Aber es hat ihn niemand gefragt. 10
Wenn die Psyche uns einen Streich spielt
Aus dem schockierenden Überfall auf Kitty Genovese entstand der Begriff des Genovese-Syndroms oder des
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