Zivilcourage - Keine Frage
Die Wissenschaftler machten Medien sowie neue Technologien für diese Entwicklung verantwortlich. Die heutige Generation wachse mit Computerspielen auf, die gewalttätigen Inhalte stumpften ab. Soziale Treffpunkte im Web 2 . 0 machten es leicht, Freunde zu gewinnen und sie wieder abzustoßen, wenn sie einem nicht mehr passen.
Expertentipp:
» Empathie hat man oder hat man nicht. « Diese Aussage galt in der Psychologie lange als Gesetz. Heute wissen wir: Empathie lässt sich trainieren. Der erste und wichtigste Schritt: (Selbst-)Reflexion und die Bereitschaft, an sich zu arbeiten. Mischen Sie sich unters Volk, und kommen Sie mit Leuten in Kontakt! Scheren Sie sich nicht darum, wie alt diese sind, welchen Beruf sie ausüben oder welchen sozialen Background sie haben. Suchen Sie nicht nach Unterschieden, sondern nach Gemeinsamkeiten. Was für Eigenschaften teilen Sie vor allem mit Menschen, die Sie auf den ersten Blick nicht sonderlich mögen? Nehmen Sie die Perspektive Ihres Gegenübers ein. Wenn Sie selbst Kinder haben, versetzen Sie sich in die Lage Ihrer kinderlosen Nachbarin. Wählen Sie traditionell grün, befassen Sie sich mit der Position des konservativen Politikers. Das steigert Ihr empathisches Vermögen. Übrigens: Je älter wir werden, desto größer unsere Empathie. Denn mit jedem Jahr steigt der Erfahrungsschatz, auf den wir zurückgreifen können. Machen Sie den Test: In Kapitel 10 können Sie herausfinden, wie empathisch Sie sind (vgl. S. 221 ff.).
Überschrittene Normen
Soziale Normen beschreiben Regeln für das Miteinander in einer bestimmten Gruppe, einer Sippe, einer Gesellschaft. Beispiele für Normen sind: Man hilft, weil einem selbst geholfen wurde. Oder: Der Stärkere hilft dem Schwächeren. Es gibt persönliche, soziale, Glaubens- und Gemeinschaftsnormen – sie alle beeinflussen unser Handeln. Juden und die wichtigsten christlichen Konfessionen orientieren sich beispielsweise an den Zehn Geboten. Sie appellieren vor allem daran, die Mitmenschen zu achten und zu respektieren. Auch die Pfadfinder haben Normvorgaben: » A Scout’s duty is to be useful and to help others. « 13 Normen zeigen uns die gesellschaftlichen Grenzen auf, in denen wir uns bewegen können.
Expertentipp:
Insbesondere Jugendliche missachten Normen, Gesetze und Regelungen häufiger. Normalerweise ist das ein vorübergehender Zustand. Denn im Lauf der Zeit entwickeln auch sie ein Pflichtgefühl und akzeptieren die Notwendigkeit von Regeln. Dieser Lernprozess ist dann besonders erfolgreich, wenn diese Normen von Menschen vorgelebt werden, die für den Jugendlichen ein (moralisches) Vorbild sind. Das können Eltern, Lehrer oder auch prominente Personen sein, die diese Normen selbstbewusst für sich interpretieren und nach ihnen leben.
Da waren auch andere Menschen auf dem Bahnsteig, fünf oder mehr, doch die meisten hatten sich abgewandt, einige drehten sich im Weggehen um. Das konnte er durch das Fenster sehen, als er in der Bahn an ihnen vorbeifuhr. 10
Ungenügende Kompetenz
Ob jemand eingreift hängt auch davon ab, wie kompetent der Helfer ist: Beherrschen Sie Selbstverteidigungstechniken? Kennen Sie sich mit Erster Hilfe aus? Haben Sie einen Zivilcourage-Kurs absolviert? Sind Sie schlagfertig? Verständlicherweise eilen vor allem Menschen zu Hilfe, die durch ihren Beruf entsprechend ausgebildet sind: Krankenschwestern, Erzieherinnen oder Polizisten. Mitunter kann das dazu führen, dass weniger Vorgebildete sich zurückhalten. Denn wenn ich ahne, dass ein anderer kompetenter ist als ich, lasse ich ihm den Vortritt. Schließlich will ich mich ja nicht vor dem Profi blamieren oder etwas falsch machen.
Expertentipp:
Wer sich unsicher ist, ob er im Ernstfall das Richtige tun wird, kann seine körperliche Fitness trainieren, in Zivilcourage-Kursen sicheres Verhalten erlernen oder sein Wissen bei einem Erste-Hilfe-Kurs auffrischen. Normalerweise können Helfer sehr realistisch einschätzen, wie hilfreich ihre Unterstützung ist. Was Sie auf jeden Fall tun können, egal, wie viel Kenntnis oder Selbstvertrauen Sie in Ihre Fähigkeiten haben: Einen Notruf absetzen, das heißt die 110 wählen und Hilfe anfordern.
Wenn die Situation das Eingreifen verhindert
Neben den Persönlichkeitsmerkmalen des Zuschauers oder Bystanders und den psychologischen Effekten der Öffentlichkeit beeinflusst die Situation selbst das Helferverhalten ganz wesentlich. Verschiedene Faktoren wirken dabei in einem komplexen Zusammenspiel:
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