Zivilcourage - Keine Frage
greifen völlig wahl- und grundlos fünf Passanten an, die sie brutal zusammenschlagen. Alle drei waren bereits in der Schweiz straffällig. In Deutschland drohen ihnen nun bis zu zehn Jahre Haft.
Die Politik
Die Menschen glauben, dass ihre Welt immer krimineller wird. Damit steigt ihr Bedürfnis nach mehr Sicherheit. Nicht selten mündet das in einen Ruf nach härteren Strafen. Spätestens nach dem nächsten brutalen Überfall steigt der Druck auf die Politik, das gesetzliche Strafmaß anzuheben. Strapaziertes Beispiel: das Jugendgerichtsgesetz (JGG). Die Politiker punkten bei der Bevölkerung, wenn sie strengere Strafen für gewalttätige Jugendliche fordern. Ganz gleich ob nach einem erneuten schweren Gewaltverbrechen oder im Wahlkampf:
Härtere Strafen – sind sie wirklich sinnvoll?
Die Forderungen von Medien, Öffentlichkeit und Politik sind nicht ohne Widerhall geblieben: Seit 1992 hat sich der Strafrahmen bei 40 Strafbeständen erhöht. So ordnen die Richter in den letzten Jahren zunehmend häufiger Freiheitsstrafen an. Auch die Dauer der Strafen ist gestiegen : 24 Mussten Straffällige 1990 durchschnittlich 5 , 2 Jahre absitzen, waren es im Jahr 2002 schon 7 , 3 Jahre – ein Plus von 40 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen, ist indes drastisch gesunken.
Wer seinen Sohn liebt, züchtigt ihn. Doch führen eine konsequentere Strafverfolgung nach diesem Motto und härtere Strafen wirklich dazu, dass sich die Anzahl krimineller Vorfälle stabilisiert, wenn nicht gar sinkt? Offenbar nicht, vor allem nicht bei den jungen Menschen: Vier von fünf jugendlichen Straftätern ( 14 bis 21 Jahre) werden wieder rückfällig, nachdem sie ihre Strafe abgesessen haben. Bei den Erwachsenen ist es lediglich jeder zweite. Die größte Einsicht zeigen Erwachsene, die der Richter zu einer Geldstrafe verurteilt hat. Von ihnen wird nur ein Drittel rückfällig.
Dass ein härteres Strafmaß nicht die Lösung aller Probleme ist, zeigen auch die USA: In Amerika saßen im Jahr 2003 über zwei Millionen Menschen im Gefängnis – 25 Jahre zuvor waren es gerade mal eine halbe Million. Doch die Kriminalitätsquote hat sich kaum verändert. Ähnliches wird aus Großbritannien berichtet, wo die Justiz in den letzten Jahren zunehmend härtere Gesetze eingeführt hat.
Hamburg, Februar 2010 : In einem Hamburger Linienbus schlagen zwei junge Männer einen 19 -Jährigen zusammen. Er hatte sich über die laute Musik aus deren Handy beschwert. Selbst als der Junge am Boden liegt, treten die beiden Täter noch auf seinen Kopf ein. Erst als andere Fahrgäste eingreifen, lassen die Angreifer von ihrem Opfer ab und flüchten aus dem Bus.
Jugendkriminalität verhindern – beginnen, bevor es anfängt
Wäre es indes nicht sinnvoller, sich um die verstärkte Resozialisierung der Jugendlichen zu bemühen? Oder mehr geschlossene und ambulante Einrichtungen für junge Delinquenten zu schaffen? Und warum wird immer noch so selten ein Täter-Opfer-Ausgleich praktiziert, bei dem Täter und Opfer sich treffen und die Tat gemeinsam aufarbeiten? » Die Politik verhält sich so, als läge die Zukunft des Landes im Ausbau von Gefängnissen « , sagt Christian Pfeiffer, Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN). » Dabei wissen wir doch, dass die Prioritäten in der Frühförderung von Kindern und im Ausbau von Ganztagsschulen liegen müssen, um beispielsweise der wachsenden Medienverwahrlosung der Kinder entgegenzuwirken. «
Wie soll man nun mit den straffälligen Jugendlichen umgehen? Erziehungscamps oder Knast? Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht? Prävention heißt das Stichwort. Kriminologen wie Pfeiffer versuchen mit ihrem Ansatz vor allem (weitere) Straftaten zu verhindern. Denn wenn der Einsatz von Polizei, Staatsanwaltschaft oder dem Strafrichter vonnöten ist, ist es häufig zu spät.
Der Präventionsansatz hat Sinn. Denn Gewalt und Süchte, schulische und berufliche Probleme sowie risikoreiches Verhalten treten überdurchschnittlich häufig bei Kindern aus Familien auf, in denen kein Platz für sie ist: Sie werden vernachlässigt, geschlagen und missbraucht. Gewalt schafft wieder Gewalt. Solche Familiensituationen treten häufig zusammen mit extremer Armut und sozialen Randgruppen auf.
Was wir nach Meinung der Experten brauchen, fasst das umständliche Wort Primärprävention zusammen: Risikofaktoren wie Armut, Scheidung oder geringe Bildung müssen früh erkannt – und dann
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