Zodius: Gegen den Sturm (German Edition)
so seine Zweifel, ob er sich würde losreißen können.
Zwischen ihnen bestand eine Verbindung – eine stillschweigende und von beiden gewollte Verbindung. Vielleicht weil auch Becca, wie er, jeden Tag beim Erwachen dem Tod ins Gesicht sah. Nur dass Becca, anders als Sterling, der sich freiwillig entschieden hatte, keine Wahl geblieben war. Diese Wahl hatte ihr die Krebsdiagnose genommen, und jetzt hatte Adam noch einmal das Gleiche getan. Sie hatte sich der Krebsdiagnose allein gestellt. Ihre Mutter war nach Europa gezogen, hatte wieder geheiratet und lebte in einer Seifenblase des Glücks, und Sterling hatte den schleichenden Verdacht, dass genau das der Grund war, warum Becca die Nachricht von ihrem Krebs für sich behalten hatte.
Langsam ließ sich Sterling auf der Matratze nieder, das Gesicht Becca zugewandt. Für eine Weile betrachtete er die dunklen Halbmonde ihrer langen Wimpern, wie sie auf ihrer bleichen, perfekten Haut ruhten, und mit diesem Bild im Kopf schloss er die Augen. Seine Sinne liefen auf Hochtouren, liefen heiß, die Wärme ihrer Nähe überrollte und verzehrte ihn, brauste durch ihn hindurch wie der Wind, auch wenn dieser Wind zugleich mehr wie eine sanfte Sommerbrise war. Stumm schwor er sich, dass Becca an ihrem ersten Tag außerhalb der Gefangenschaft beim Aufwachen nicht allein dem Tod würde ins Gesicht sehen müssen. Nicht allein – sie würde aufwachen, um dem Tod mit ihm an ihrer Seite ins Gesicht zu sehen. Genau in diesem Moment gestattete er sich, in den ersten friedlichen Schlaf zu sinken, seit man ihm Becca genommen hatte.
Nur Minuten nachdem Tad seine schier endlose Nummer mit Sabrina zum Abschluss gebracht und sie dadurch in eine von den Trackern aufspürbare Last verwandelt hatte, stand Iceman in der Überwachungszentrale des Lagerhauses und wartete, bis sein persönlicher Bodyguard, J.C. Miller, die DVD in das Zentralgerät geschoben hatte, in dem die Bilder der zehn Überwachungskameras zusammenliefen. Der hochgewachsene, athletische J.C. war schlau, berechnend und so ziemlich in jeder Hinsicht ein knallharter Typ – er hatte einen schwarzen Gürtel in Judo, beherrschte den Umgang mit Waffen meisterhaft und war schon ein tödlicher Killer gewesen, bevor er zum Clanner geworden war.
In Anbetracht der Tatsache, dass Iceman selbst kein
Ice
nahm, war J.C. außerdem ein notwendiges Übel. Und der Mann war klug genug, nicht zu fragen, warum Iceman die Droge verschmähte. Er wusste es nur zu gut und sprach nicht darüber, denn Iceman hatte ihn in seiner Gewalt – J.C. war sein
Ice
-Vertreiber, und Iceman hatte Unterlagen über jeden Mord, den er begangen hatte, sicher verwahrt in einem Safe liegen und konnte sie jederzeit an die Behörden aushändigen. Sein Wissen sicherte ihm J.C.s Loyalität auf eine Weise, wie sie Iceman Tad oder Adam nie und nimmer entgegenbringen würde. Oder überhaupt irgendjemand anderem.
»Soll ich Sabrina beseitigen?«, fragte J.C. so beiläufig, als ginge es um einen Müllbeutel.
»Noch nicht«, antwortete Iceman, strich sich über das glatt rasierte Kinn und dachte nach. »Vielleicht können wir sie irgendwie gegen Tad verwenden.«
Die DVD flimmerte auf und zeigte Bilder vom
Nebula,
dann schwenkte die Kamera zu einer Frau, die Iceman von den ihm vorgelegten Fotos her als Rebecca Burns erkannte. Von den Clannern offensichtlich dazu gedrängt, steuerte sie den rückwärtigen Teil des Clubs an. Einen Augenblick später jagte ein Mann über den Bildschirm und stürmte ihr hinterher.
»Sterling«, sagte Iceman und verzog die Lippen in einer Mischung aus Ärger und Bewunderung für diesen gewieften Spürhund, der auf beiden Seiten des Gesetzes wandelte. Sterling war ein Mann, den er gut kannte und möglichst auf Abstand hielt. Natürlich wusste Sterling nicht, dass er Iceman war.
»Er taucht viel zu häufig gerade dort auf, wo es Ärger gibt«, bemerkte J.C. trocken. Er hatte schon vor langer Zeit versucht, Iceman davon zu überzeugen, dass es besser wäre, Sterling eine
Ice
-Sucht aufzuzwingen. »Wir müssen ein Auge auf ihn haben.«
»Sein Status als freier Agent leistet uns gute Dienste«, gab Iceman brüsk zurück und fügte spitz hinzu: »Wir können uns seine Möglichkeiten und Fähigkeiten zunutze machen, und solange er nur richtig überwacht wird, ist er kein Risiko.«
J.C. spannte sichtlich die Kiefermuskeln an, sein Blick wanderte zu den Überwachungsmonitoren. Iceman hatte das deutliche Gefühl, schon bald entdecken zu müssen, dass
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