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Zombieparade: Storys (German Edition)

Zombieparade: Storys (German Edition)

Titel: Zombieparade: Storys (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks
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ausdrückte, wegen der Chance, »ein klein wenig Lokalkolorit mitzubekommen«. Wir waren beide überaus eingenommen von Anson: groß, bildhübsch und sehr, sehr jung. Er erinnerte sich nicht an eine Zeit vor Audionachrichten und Metalldrachen. Beneidenswerte Lebensfreude funkelte in seinen fröhlichen Augen.
    »Die haben es bis nach Oz geschafft«, sagte er kindlich aufgeregt. Wir standen auf dem Balkon und sahen das Feuerwerk von Hari Merdeka über den Petronas Towers erblühen. »Ist das nicht erstaunlich?« , ereiferte er sich, und wir dachten beide, dass er das Feuerwerk meinte. »Zuerst glaubte ich, sie können schwimmen, und das können sie natürlich
auch, wissen Sie, freilich nicht im herkömmlichen Sinne … sie waten mehr unter Wasser. Aber so kamen sie nicht nach Queensland. Sondern mit illegalen Bootsflüchtlingen. Unschöne Sache, habe ich gehört, wurde natürlich sofort vertuscht und so weiter. Hätte ich doch nur die Möglichkeit gehabt, welche zu sehen! Hatte ich leider nie, wissen Sie, nicht ›leibhaftig‹.«
    »Gehen wir heute Abend!«, rief Laila plötzlich dazwischen. Ich sah, dass der Enthusiasmus unseres Gastes sie angesteckt hatte. Ich wollte etwas über die Entfernung vor Einbruch der Dämmerung einwenden, doch sie unterbrach mich mit: »Nein, nicht dorthin. Gleich hier, heute Abend! Wie ich gehört habe, kam es heute zu einem erneuten Ausbruch, nur wenige Stunden entfernt, nahe Jerantut. Wir müssen vermutlich ein Stück in den Busch vorstoßen, aber ist das nicht schon der halbe Spaß?« Ich war neugierig, das muss ich zugeben. Monate der Gerüchte und ein Leben voller Geschichten forderten ihren Tribut. Ich gestand ihnen, wie ich es mir heute selbst eingestehe, dass ich tatsächlich einmal einen »leibhaftig« sehen wollte.
    Wenn man einer von uns ist, vergisst man nur zu leicht, wie schnell der Rest der Welt sich weiterentwickeln kann. So viel Dschungel war scheinbar
binnen eines Augenblicks verschwunden und Schnellstraßen, Reihenhäusern und meilenlangen Palmölplantagen gewichen. »Fortschritt«, »Entwicklung«, und das über Nacht, hätte man den Eindruck gewinnen können. Laila und ich waren durch die behelfsmäßigen, unbeleuchteten Straßen einer neuen Bergarbeiterstadt namens Kuala Lumpur gezogen. Ich war ihr von Singapur hierher gefolgt, weil unser vorheriges Zuhause »zu zivilisiert« geworden war … Jetzt fuhr unser Lexus LSA einen Fluss aus Asphalt und künstlichem Tageslicht hinab.
    Wir rechneten nicht mit einer Straßensperre, und die Polizei rechnete nicht mit uns. Sie fragten uns weder, wohin wir wollten, noch überprüften sie unsere Ausweise oder wiesen uns darauf hin, dass wir illegalerweise drei Personen in ein zweisitziges Kraftfahrzeug gequetscht hatten. Der Polizist winkte uns einfach fort, zeigte mit einer Hand – er trug weiße Handschuhe – den Weg zurück, den wir gekommen waren, und ließ die andere zitternd auf dem Griff seiner Waffe ruhen. Nie werde ich seinen Geruch vergessen, den des Polizisten hinter ihm oder den der Kompanie Soldaten hinter den beiden. Seit den 1969er Rassenunruhen hatte ich nicht mehr eine derart konzentrierte Angst gerochen. (Oh, was war das für eine großartige Zeit gewesen.) Ich sah
Laila im Gesicht an, wie sehr sie sich wünschte, nach unserem Abenteuer zu der Straßensperre zurückzukehren. Anscheinend las sie in meinem Gesicht dasselbe. »Vorsichtig«, flüsterte sie und stieß mir verspielt einen Finger in die Rippen. »Es ist nicht sicher, wenn man betrunken fährt.«
    Den zweiten Geruch bemerkten wir mehrere Minuten später, als wir die Straße verlassen hatten und über den Baumwipfeln zu der Stelle zurückkehrten. Die olfaktorischen Eindrücke stürmten wie eine solide Wand auf uns ein, menschliche Angst und verwesendes Fleisch. Sekundenbruchteile später tat uns fernes Gewehrfeuer in den Ohren weh.
    Das Viertel musste speziell für die Plantagenarbeiter angelegt worden sein. Hübsche, kleine Reihenhäuschen an breiten, frisch asphaltierten Straßen. Wir sahen Geschäfte, Restaurants, zwei Grundschulen und die große katholische Kirche für unsere philippinischen Gastarbeiter. Von der Kirchturmspitze, dem höchsten Punkt in dieser Fertigbausiedlung, betrachtete ich fassungslos das Gemetzel tief unten. Zuerst bemerkte ich die Brände, dann die Blutflecken, danach die Schleifspuren und Einschusslöcher in einigen der Häuser, die teilweise aussahen, als hätte ein wütender Mob die Türen und Fenster eingeschlagen.

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