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Zombieparade: Storys (German Edition)

Zombieparade: Storys (German Edition)

Titel: Zombieparade: Storys (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks
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herum wuchs. Wir redeten kaum über die Subtoten, verschwendeten wenig Gedanken an sie und kümmerten uns nicht um die Nachrichten, die uns auf dem neuesten Stand gehalten hätten. Es kursierten eine Menge Geschichten  – unter den Menschen und unseresgleichen – über Subtote, die auf jedem Kontinent auftauchten. Sie waren zusammenhanglos und unstimmig und größtenteils langweilig. Irgendwie schienen wir ständig gelangweilt zu sein; das ist wohl der Preis für ein Dasein in der Unsterblichkeit. »Ja, ja, wir haben von Paris gehört, was soll damit sein?« »Natürlich weiß ich das von Mexico City, wer nicht?« »Oh, Pest
und Hölle, sollen wir uns schon wieder über Moskau unterhalten?« Drei Jahre lang verschlossen wir die Augen, die Ausmaße der Krise wuchsen, die Menschen starben entweder oder wurden verwandelt.
    Und im vierten Jahr wurden die »Nächte der Verleugnung« zu den ironisch betitelten »Nächten des Ruhms«. Das war, als die Öffentlichkeit endlich weltweit alles über das Ausmaß der Bedrohung erfuhr und die Regierungen ihren Völkern die Art der Krise enthüllten. Da begann der Verfall der globalen Systeme, brachen Bündnisse zwischen Staaten, lösten nationale Grenzen sich auf, wurden unbedeutende Kriege geführt, kam es weltweit zu massenhaften Aufständen. Für unsere Art begann eine Phase ungezügelter, feierlicher Ekstase.
    Jahrzehnte hatten wir uns über die erdrückende Verbundenheit der Sonnenbrüter beklagt. Eisenbahnen und Elektrizität, ganz zu schweigen von Telegrafen und dem verfluchten Telefon, hatten stets eine enorme Belastung für unsere Raubtiernatur dargestellt! In letzter Zeit jedoch, mit dem drastischen Anstieg von Terrorismus und Telekommunikation, hätte man den Eindruck gewinnen können, als bestünde jede Wand aus Glas. Einst hatten wir Singapur den Rücken gekehrt, dann dachten Laila und ich ernsthaft darüber nach, die malaiische Halbinsel
ganz zu verlassen. Wir sprachen von Sarawak oder gar Sumatra, irgendeinem Ort, wo das Licht der Erkenntnis die dunklen Ecken unserer Freiheit noch nicht verdrängt hatte. Doch nun schien ein Exodus überflüssig, da die Lichter barmherzigerweise nach und nach erloschen.
    Zum ersten Mal seit Jahren konnten wir jagen und mussten dabei keine Angst vor Handys oder Überwachungskameras haben. Wir konnten im Rudel jagen und sogar über unseren zappelnden Opfern verweilen. »Ich hatte schon fast vergessen, wie richtige Nächte aussehen«, stieß Laila einmal während einer Jagd hervor, als der Strom ausgefallen war. »Oh, was für ein gütiger Umstand ist doch das Chaos!« In jenen Nächten verspürten wir den Subtoten und der befreienden Ablenkung gegenüber, die sie darstellten, noch richtige Dankbarkeit.
    In einer denkwürdigen Nacht erklommen Laila und ich die Balkone des Coronade-Hotels. Unter uns auf der Sultan-Ismail-Straße feuerten Regierungstruppen einer Horde anrückender Kadaver Leuchtspurgeschosse entgegen. Es war ein faszinierendes Schauspiel, so viel konzentrierte Militärmacht; sie zerfetzten, verwüsteten, pulverisierten die Subtoten und konnten sie dennoch nicht besiegen. Einmal waren wir gezwungen, auf das Flachdach des Sugei
Wang Plaza zu springen (eine beachtliche Leistung), als die Druckwelle einer Bombenexplosion Glasscherben von den Fenstern des Hotels regnen ließ. Es erwies sich als glückliche Entscheidung, denn auf dem Dach des Plaza drängten sich mehrere hundert Flüchtlinge. An den Lebensmittelverpackungen und leeren Wasserflaschen sah ich, dass die armen Teufel hier schon einige Zeit festsitzen mussten. Sie rochen ungewaschen und erschöpft und so zutiefst und verführerisch ängstlich.
    Darüber hinaus entsinne ich mich freilich kaum noch an etwas, abgesehen von Gewaltausbrüchen und den Rücken flüchtender Beute. An das Mädchen freilich erinnere ich mich genau. Es musste vom Land gekommen sein; so viele strömten damals in die Städte. Glaubten seine Eltern wirklich, dass sie es in Sicherheit brachten? Hatte es überhaupt noch Eltern? Sein Geruch war frei von den Unreinheiten moderner Großstadtbewohner, keine eingenommenen Hormone oder Rauschmittel, nicht einmal der kumulative Gestank von Umweltgiften. Ich delektierte mich an seiner köstlichen Reinheit und verfluchte mich später dafür, dass ich in meiner Vorfreude zauderte. Es sprang, ohne zu zögern, ohne einen Aufschrei. Ich sah es direkt in die stöhnende, zuckende Horde stürzen.
    Die Subtoten bewegten sich wie eine Maschine, ein langsamer,

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