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Zombieparade: Storys (German Edition)

Zombieparade: Storys (German Edition)

Titel: Zombieparade: Storys (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Brooks
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zielstrebiger Mechanismus mit dem einzigen Sinn und Zweck, aus einem kreischenden Menschenkind eine Masse unkenntlichen Fleisches zu machen. Ich weiß noch, wie seine Brust den letzten Atemzug tat, seine Augen mit einem letzten Funken der Erkenntnis zu mir aufblickten, bevor es in einem Meer aus Händen und Zähnen verschwand.
    In meiner Jugend hatte ich mir die Erinnerungen eines alten Bewohners des Okzidents über den Untergang Roms anhören müssen und vor Neid mit den Zähnen geknirscht, wenn ich an das langsame Ende dieses Weltreiches dachte. »Eine halbe Zivilisation niedergebrannt«, brüstete er sich, »ein halber Kontinent, der in einem Jahrtausend der Anarchie versank.« Mir lief angesichts seiner Geschichten über die Jagd in den gesetzlosen Ländern Europas buchstäblich das Wasser im Mund zusammen. »Es war eine Freiheit, wie ihr Asiaten sie nie gesehen habt und, fürchte ich, auch niemals sehen werdet!« Wie begründet diese Vorhersage noch vor einem knappen Jahrzehnt gewesen war. Heute hallte sie so hohl wie die Hülle unserer zerfallenden Gesellschaft.
    Ich bin nicht sicher, wann unsere Ekstase der Nervosität wich. Es dürfte schwierig sein, den exakten
Augenblick zu bestimmen. Für mich persönlich gab Nguyen den Ausschlag, ein alter Freund aus Singapur. Er war vietnamesischer Abstammung, gebildet und hochintelligent, hatte viel Zeit in Paris verbracht und dort den französischen Existenzialismus studiert. Das mag erklären, weshalb er sich nie rückhaltlos der für unsere Gattung so typischen kapriziösen Suche nach Lust hingegeben hat. Es könnte auch erklären, weshalb er meines Wissens als Erster Alarm schlug.
    Wir hatten uns auf Penang getroffen. Laila und ich waren gezwungen, KL den Rücken zu kehren, als ein unkontrolliertes Feuer am helllichten Tag unseren gesamten Häuserblock bedrohte. Auf diese Weise hatten wir jüngst mehrere unserer Art verloren. Wir hatten gar nicht ganz begriffen, wie angenehm unser Leben in letzter Zeit geworden war; eingeschränkt, ja, aber auch extrem angenehm. Überwiegend verzichteten wir längst auf befestigte Unterschlüpfe. Die Notwendigkeit dafür war zusammen mit Forken und Fackeln verschwunden. Die meisten von uns lebten inzwischen wie die Sonnenbrüter, in komfortablen und in manchen Fällen opulenten Stadtwohnungen.
    Anson hatte in so einer Unterkunft gelebt, in einem funkelnden Wolkenkratzer hoch über dem Hafen von Sydney. Doch diese Stadt war, wie der
Rest unserer Welt, zu einem von Subtoten belagerten Irrenhaus geworden. Und wie beim Rest unserer Art war sein Appetit in blutige, bacchantische Wonnen ausgeartet. Soweit wir hörten, hatte er sich eines Morgens in sein Hochhaus-Alcazar zurückgezogen, als die australische Regierung gerade den Befehl gab, das Militär einzusetzen. Niemand ist sicher, wieso sein Gebäude einstürzte. Die Theorien darüber reichten von fehlgeleitetem Artilleriefeuer bis hin zu Sprengsätzen, die tief unter der Stadt gezündet wurden. Wir hofften, der arme Anson wäre bei der Explosion zerfetzt oder rasch durch die Morgensonne vernichtet worden. Uns entsetzte der Gedanke, er könnte unter Tonnen von Schutt eingeklemmt liegen, wo ihn winzige Sonnenstrahlen peinigten, während die Lebenskraft langsam aus ihm entwich.
    Nguyen hätte fast ein ähnliches Schicksal erlitten. Er hatte Verstand genug besessen, am Vorabend einer Offensive der Sonnenbrüter aus Singapur zu verschwinden. An dem Abend musste er über die Straße von Johor hinweg mit ansehen, wie das Land, das er seit mehr als dreihundert Jahren seine Heimat nannte, vollständig niederbrannte. Darüber hinaus besaß er die Geistesgegenwart, den Schmelztiegel von KL zu meiden und sich zur neuen »Sicherheitszone« der Sonnenbrüter auf Penang zu begeben.
Millionen Flüchtlinge scharten sich an dem mehrere hundert Quadratkilometer großen bebauten Küstenstreifen. Mit ihnen kamen Dutzende unserer Art, manche von weit entfernten Orten wie Dhaka. Es gelang uns, einige entlegene Domizile zu »akquirieren«, indem wir die menschlichen Vorbesitzer ausschalteten und uns gegen einen zu erwartenden zukünftigen Ansturm schützten. Was unserer neuen Heimstatt an Komfort fehlte, machte sie durch Sicherheit wieder wett. Jedenfalls redeten wir uns das ein, während die Situation sich zunehmend verschlechterte und ganze Heerscharen von Subtoten immer näher an Penang heranrückten. In einem dieser Domizile verlieh Nguyen nach einer Nacht der Jagd in den umliegenden Flüchtlingslagern

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