Zombieparade: Storys (German Edition)
erstmals seiner Besorgnis Ausdruck.
»Ich habe Berechnungen angestellt«, sagte er nervös, »und diese Berechnungen sind … beängstigend.« Zuerst wusste ich gar nicht, wovon er redete. Die sozialen Umgangsformen der älteren Generation sind verkümmert. Je mehr sie sich in ihre Erinnerungen zurückzogen, desto schwerer fiel es, mit ihnen zu kommunizieren. »Hungersnöte, Krankheiten, Suizid, gleichrassige Morde, Kriegsopfer und natürlich die Infektion der Subtoten.« Meine verwirrte Miene schien Bände zu sprechen.
»Die Menschen!« Er fauchte mich ungeduldig an.
»Wir verlieren sie! Dieser schlurfende Abschaum rottet sie allmählich aus.«
Laila lachte. »Das haben sie schon immer versucht, und die Menschen haben ihnen stets ein Schnippchen geschlagen.«
Nguyen schüttelte wütend den Kopf. »Diesmal nicht! Nicht in dieser dezimierten Welt, in der wir leben. Es gibt … gab … mehr Menschen als jemals zuvor. Es existierten Reise- und Handelsnetzwerke, die die Menschen wie noch niemals zuvor miteinander verbanden! Darum konnte sich die Seuche so schnell und so weit ausbreiten! Die Menschen haben eine Welt historischer Widersprüche geschaffen. Sie haben physikalische Distanzen nivelliert und dabei gleichzeitig soziale und emotionale errichtet.« Er seufzte zornig angesichts unserer verständnislosen Mienen. »Je mehr die Menschen ihren Einflussbereich auf dem Planeten ausgedehnt haben, desto stärker verspürten sie den Wunsch, sich in sich selbst zurückzuziehen. Die schrumpfende Welt schuf eine höhere Stufe materiellen Wohlstands, und diesen Wohlstand nutzten sie, um sich voneinander zu isolieren. Darum gab es, als die Seuche sich ausbreitete, keine globale oder auch nur nationale Mobilmachung! Darum arbeiteten die Regierungen
in relativer Geheimhaltung und vergeblich, während die Bevölkerung sich um ihre kleinkarierten Privatinteressen kümmerte! Der durchschnittliche Sonnenbrüter begriff erst, was da vor sich ging, als es zu spät war! Und es ist FAST zu spät! Ich habe nachgerechnet! Der Homo sapiens nähert sich dem kritischen Punkt, da er sich nicht mehr selbst erhalten kann. Nicht mehr lange, und es dürfte mehr Subtote als Menschen geben!«
»Na und?« Diese Worte und den beiläufigen, gelangweilten Tonfall, mit dem Laila sie aussprach, werde ich nie vergessen. »Gibt es eben ein paar Sonnenbrüter weniger, und wenn schon? Wie du gesagt hast, wenn sie zu egoistisch oder zu dumm sind, die Subtoten daran zu hindern, sie zu jagen, warum sollte uns das interessieren?«
Nguyen sah sie an, als wäre die Sonne in Lailas Augen aufgegangen. »Du verstehst es nicht«, stieß er krächzend hervor. »Du hast es wirklich und wahrhaftig nicht begriffen.« Er verstummte ein paar Sekunden, wich mehrere Schritte zurück und sah sich in dem Zimmer um, als hätte er die richtigen Worte irgendwo auf den Boden fallen lassen. »Wir sprechen hier nicht von ein paar Sonnenbrütern weniger, wir sprechen von allen! Von ALLEN!«
Sämtliche Anwesenden im Raum drehten sich
daraufhin zu Nguyen um, doch der bohrte den vorwurfsvollen Blick seiner stechenden Augen weiterhin direkt in Laila. »Die Menschen kämpfen um ihr Überleben! Und sie verlieren!« Er breitete dramatisch die Arme aus und beschrieb einen Halbkreis der Leere. »Und wenn die Letzten von ihnen verschwunden sind, wovon willst du oder irgendein anderer Angehöriger unserer Rasse dann leben!?« Es herrschte Stille. Nguyen ließ den Blick über die Gruppe schweifen. »Denkt denn keiner von euch weiter als bis zur Sättigung der kommenden Nacht? Begreift hier wirklich niemand, was es bedeutet, dass wir jetzt einen anderen Organismus haben, der mit uns um unsere einzige Nahrungsquelle konkurriert!?«
An der Stelle wagte ich eine zaghafte Antwort, etwas in der Art von: »Aber sie … die Subtoten müssen doch irgendwann aufhören. Sie müssen doch wissen …«
»Die wissen GAR NICHTS!«, unterbrach mich Nguyen. »Und du WEISST das! Du KENNST den Unterschied zwischen ihrer und unserer Art! Wir jagen Menschen! Die rotten die Menschheit aus! Wir sind Raubtiere! Die sind eine Seuche! Raubtiere wissen, dass man die Beute nicht zu sehr dezimieren und sich selbst nicht zu sehr vermehren darf! Wir
besitzen Verstand genug, dass wir immer mindestens ein Ei im Nest lassen! Wir wissen, unser Leben hängt vom Gleichgewicht zwischen uns und unserer Beute ab! Eine Krankheit weiß das nicht! Eine Krankheit wächst und wächst, bis sie den ganzen Wirt infiziert hat! Und
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