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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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volles Kontingent von Trauernden. Nach kurzer Erkundung der Umgebung hielten Omega und Bravo die Totenfeier in einem brasilianischen Restaurant in der Pearl ab. Sie hatten erfolglos nach den anderen Sweeperteams gesucht. Die Funkgeräte waren nicht zu gebrauchen und gaben nur ein metallisches Heulen von sich, das selbst in ihren Veteranenknochen Angst entfachte. Ihre Kameraden würden morgen davon erfahren, und das gewohnte Herumhängen am Sonntagabend würde zu einer zweiten, feuchtfröhlichen Gedenkfeier werden.
    »Er würde es so wollen«, sagte Carl.
    »Da bin ich ganz sicher«, sagte Mark Spitz.
    Die Arbeit war vorbei, sowie Mark Spitz mit der Nachricht zurückkehrte. Dass sie sich für den richtigen Veranstaltungsort entschieden hatten, bekräftigte Angela erneut, nachdem sie die Alkoholbestände erkundet hatte. Nach einer sechsmonatigen Affäre mit einem Brasilianer, dessen ständiger Verweis auf seine Nationalität ein Eckpfeiler seiner Persönlichkeit war, hatte sie eine Vorliebe für Cachaça entwickelt, ein Getränk, das dank seiner ausländischen Herkunft nicht unter die Vorschriften gegen Plünderung fiel. Es sei denn, die Oberen hatten die Vorschriften in den letzten beiden Wochen, die die Teams im Einsatz gewesen waren, geändert – offenbar passierte in der Welt alles Mögliche, während sie die dunklen Ecken der Nekropole durchstreiften. Camps brachen zusammen, Drillinge gerieten in Gefahr. Die Truppen des Lieutenants würden für eine würdige Gedenkfeier sorgen. Aus dem digitalen Music Dock irgendeines toten Hilfskellners kam Reggaemusik von Carls Playlist, und sie passte ziemlich gut zu den Caipirinhas, die, von Kaltkompressen gekühlt und mit der richtigen Menge von Limettensaft und Zucker versetzt, nicht schlecht schmeckten. Zu Beginn der Feierlichkeiten kramte Angela hinter der Bar, als Kaitlyn den Mund aufmachte, um etwas zu sagen. »Lass es«, sagte Angela.
    »Ich wollte nur sagen, nimm zwei Flaschen«, sagte Kaitlyn.
    Die Wände waren mit den schwarzen Silhouetten von Dschungelpflanzen mit langen, schmalen Blättern bemalt, die eher albern als exotisch wirkten, während sie im schummrigen Licht der Kerzen und Lampen unentwegt neue Formen annahmen. Sie stießen auf den Lieutenant an. Sie tauschten Erinnerungen an ihren ersten Tag in der Zone aus, an ihre erste Begegnung mit ihrem exzentrischen Vorgesetzten, und jeder fügte dem Bild seine eigenen Striche hinzu. Kaum hatte Mark Spitz seinen zweiten Drink geleert, als No Mas ihm auch schon das Glas aus der Hand riss und ihm einen weiteren mixte. No Mas lächelte ihn an und kicherte demonstrativ über seine Witze, seit Mark Spitz ihn und Gary auf der Toilette erwischt hatte. Aufgrund ihrer verstohlenen Mienen hatte er vermutet, dass er sie bei irgendeinem neuartigen, möglicherweise aus dem elenden Connecticut stammenden Masturbationsritual unterbrochen hatte.
    »Keine Sorge«, sagte Gary zu No Mas. »Er ist cool.«
    Gary erklärte ihm ihr kleines Nebengeschäft. Die Sammeltrupps holten als erstes die berühmten Schmerzmittel aus den Apotheken, das gute Zeug, dann die bewährten Beruhigungsmittel, die von Generationen deprimierter Mütter erprobten Tranquilizer. Die unternehmerische Verwertung und Verteilung der betäubenden Wirkstoffe hatte ernsthaft erst dann begonnen, als die allgemeine Diagnose PABS die missliche Lücke in Buffalos Liste pharmazeutischer Sponsoren offenbarte – wer bereit war, sich auf die Suche nach dem unverzichtbaren Potpourri aus Benzodiazepinen und ausgewählten Serotonin-Wiederaufnahmehemmern zu machen, für den ergab sich eine erstklassige Marktgelegenheit. Schmerzen ließen sich stillen. Traurigkeit nicht, aber die Medikamente stopften ihr eine Zeitlang den Mund. Draußen im Ödland war es unklug, eine Tablette zu nehmen, da man dann vielleicht nicht aufwachte, wenn man musste, zum Beispiel beim Geräusch der an der Scheunentür krallenden Horde Toter, aber in Happy Acres und seinesgleichen war man vom Fluch ewiger Wachsamkeit befreit. Wenn einem da und dort ein Tag fehlte, man mit diesem oder jenem zugeknallt war – dann hatte man es verdient. »Irgendjemand muss was tun«, sagte No Mas. »Den Leuten geht es schlecht.«
    »Was berechnet ihr denn so?«, fragte Mark Spitz.
    »Gestaffelter Tarif, bedarfsorientiert. Trinkpäckchen werden akzeptiert.«
    Die Apotheken und Medizinschränkchen der Privatwohnungen enthielten keine Betäubungsmittel und Antibiotika mehr, aber hinter den verspiegelten Türen sprossen

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