Zone One: Roman (German Edition)
war Skel-Gebiet, als gehörte er noch zum Interregnum, dabei lag er direkt unter unseren Füßen. Obwohl die Subways versperrt waren, hatte man das Gefühl, dass das andere Ende des Tunnels, die Endstation, im toten Land läge. Zum Platzangst-Kriegen, obwohl wir die Rollwagen mit den Scheinwerfern auf den Schienen hatten – die Oberen hatten unsere Nachtsichtgeräte für irgendeine Operation im Norden abgezweigt, deswegen mussten wir selber für Licht sorgen. Da unten ist man nicht mehr in der City. Es ist mittelalterlich. Wasser läuft die Wände runter wie in einer Katakombe, Ratten wuseln herum, und dann latscht man durch die Vertiefungen zwischen den Gleisen. Die Stromschiene ist tot, aber es ist trotzdem unheimlich, als könnte sie jeden Moment wieder Saft kriegen und einen grillen.
Aber das Unheimlichste war, dass man nie wusste, was einen hinter der nächsten Biegung erwartete oder wie viele gleich aus der Dunkelheit strömen würden. Manche haben sich vor Angst in die Hose gemacht, und das nach allem, was sie im Ödland erlebt hatten. Damit es auch wirklich wie in der Hölle zuging, hatte der General die glänzende Idee, uns Flammenwerfer mitnehmen zu lassen, die sich prima dafür eignen, Menschen – oder was mal welche waren – in Fackeln zu verwandeln, nur gab es da unten keinerlei Belüftung. Wenn die Subway fährt, laufen riesige Ventilatoren, damit die Luft zirkuliert. Mitten im Tunnel ist es da unten voller abgestandener Luft, die Augen brennen einem vom Qualm, man kann nicht atmen, durch die Flammen kommen die Skels auf einen zugestürzt –«
Der Lieutenant hielt inne. Es gelang ihm nicht sonderlich gut, die Sweeper für ihr zeitweiliges neues Aufgabengebiet zu erwärmen. Er goss sich ein Glas Wasser aus dem Plastikkrug auf dem Podium ein. »Aber wir haben es hingekriegt. Vorwärts, Amerikanischer Phönix, hipp hipp hurra. Und jetzt sollt ihr es zu Ende bringen, damit es hundertprozentig ist. Tut, was ihr jetzt auch tut, draufhalten und ausschalten, was immer an Skels durch irgendeinen Wartungsschacht eingedrungen ist oder zufällig noch in irgendeinem Lagerraum steckt. Wenn überhaupt. Die große Drecksarbeit ist bereits erledigt«, sagte er. Das Gesicht des Lieutenants zeigte einen Ausdruck von Draufgängertum, den Mark Spitz noch nie bei ihm gesehen hatte und deshalb für gekünstelt hielt.
Omega und Gamma bekamen die Seventh-Avenue-Linie – Canal bis South Ferry – zugeteilt. Nach Mark Spitz’ Einschätzung die edelste der Subwaystrecken, der geheiligte Meridian von Manhattan Island. Als die beiden Sweepereinheiten an der Uptown-Seite der Canal Street eintrafen, riefen die gelben Fliesen am Stationseingang eine vertraute Ruhe in ihm hervor. Während seiner ersten Teenager-Streifzüge im Untergrund von New York hatte die Treppe, die zu einem Subway-Bahnsteig hinunterführte, Zuflucht vor dem Wahnsinn auf den Straßen oben geboten, hatte ihm das vernichtende Zeugnis, das die Wolkenkratzer seiner Vorstadtspießigkeit ausstellten, und das ständige Gerempel von Fremden erspart, die ihm den Weg versperrten, seine vorsichtigen Schritte mit bösen Blicken bedachten, ihm mit ihren Regenschirmen die Augen auszustechen und ihn wehrlos zu machen versuchten, um ihn zu verschlingen. Auf den Bahnsteigen atmete er durch und konsultierte verstohlen die App der Verkehrsbetriebe auf seinem Handy, damit niemand mitkriegte, dass er keinen Schimmer hatte, wo er eigentlich hinfuhr. Er war ein Landei, aber er war kein Tourist. Eines Tages würde er hier wohnen und einer von ihnen sein. An seiner Haltestelle in irgendeinem Teil der Stadt, in dem er noch nie gewesen war, stieg er aus, um den von einer Website erteilten Auftrag – die Suche nach importierten Sneakers oder nur in begrenzter Stückzahl erhältlichen Hoodies – zu erfüllen, darauf erpicht, sich mit diesem neuen Winkel der Stadt vertraut zu machen.
Wenn es damals zum Schlimmsten gekommen wäre, hätte sein Handy die Koordinaten seiner Leiche zum Satelliten und von dort zu den Behörden und irgendwann auch zu seinen Eltern auf Long Island übertragen. Was für eine schräge Vorstellung, bei der Suche nach coolen T-Shirts ums Leben zu kommen.
Die Sweeper schlossen die Tore auf und gelangten auf den Bahnsteig. Sie sprachen nicht. Sie zogen die Gurte ihrer Nachtsichtgeräte fest und warteten, bis sich ihre Augen an die neue, schmutzig grüne Modalität gewöhnt hatten, die sie zu krabbelndem Getier am Grund eines Tiefseegrabens machte. Es war
Weitere Kostenlose Bücher