Zone One: Roman (German Edition)
erntereif wie orangefarbene Pilze die Antidepressiva in ihren Plastikröhrchen. Gary und ein paar zuverlässige Mitspieler in anderen Sweepereinheiten lieferten ihre Beute an No Mas ab, und No Mas traf sich sonntags mit seinem Zwischenhändler in Wonton, der das Zeug in Hubschraubern in die Camps schmuggelte. Ein Schatten-Buffalo, das Kurskorrekturen für den Wiederaufbau vornahm.
Mark Spitz versicherte ihnen, er werde den Mund halten. Ja, es sei eine notwendige Dienstleistung. Vielleicht hätte ja der Lieutenant von den innovativen Stimmungsaufhellern profitieren können. Vielleicht aber auch nicht.
»Bist du sicher, dass er nicht gebissen worden ist?«, fragte Carl zum dritten Mal.
»Ja«, sagte Mark Spitz.
»Hat er einen Brief hinterlassen?«
»Nein.«
»Verdammt.«
Sie begingen Selbstmord in dem Zuhause, das sie liebten, umgeben von ihren geliebten Gegenständen, oder draußen im Ödland, das sie hassten, allein im kalten Dreck. Manche fassten den Entschluss, wenn sie in einem Camp in Sicherheit waren, weil der Anschein von Normalität die erste wahrhaftige Bilanz des Horrors, seiner Größenordnung und seiner unablässigen Härten zuließ. Des Unverzeihlichen in allen seinen Facetten. Die Selbstmörder akzeptierten endlich, wozu die Welt geworden war, und verhielten sich folgerichtig. Buffalo war nicht erbaut von den Statistiken und wies Dr. Herkimer an, den PABS -Seminaren eine längere Einheit zum Verständnis-/Präventionsgedanken hinzuzufügen. Dass sich jemand während des Interregnums umbrachte, war verständlich. Dass sich jemand im Zeitalter des Amerikanischen Phönix umbrachte, war eine direkte Kritik an dessen Prinzipien. »Wir schaffen das Morgen!« – falls wir überhaupt so weit kommen, dachte Mark Spitz –, also brauchte das Morgen eine Markteinführung, brauchte Hoffnung, Psychopharmaka, eine rigorose Ausmerzung schlechter Gedanken, alles, was die Illusion schürte, dass wir es schaffen.
Ab und zu führte Mark Spitz halbherzige Debatten mit seinem eigenen verbotenen Gedanken, zuletzt am vorigen Nachmittag in der Duane Street. Er wünschte den Gefallenen eine gute Reise.
»Vielleicht hat er sich gelangweilt.«
Einer der Scharfschützen hatte beobachtet, wie der Lieutenant auf den Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach der Bank gegangen war. Es war ein ruhiger Abend mit einem schon den ganzen Tag spärlichen Aufkommen von Toten, einer der letzten Abende, bevor die Zahl der Teufel auf den jüngsten Dichtegrad angestiegen war. Der Scharfschütze winkte dem Lieutenant zu. Der Lieutenant winkte zurück und steckte sich eine Granate in den Mund.
»Kriegt man so eine Granate überhaupt in den Mund rein?«, fragte Carl.
»Würgereflex«, sagte No Mas.
»Bestimmt eins von diesen kleinen Thermitdingern«, sagte Gary.
»Es ist traurig«, sagte Kaitlyn.
Fabio hatte sich am Schreibtisch des Mannes installiert. Nach der Art zu urteilen, wie er bei Mark Spitz’ Auftauchen zusammenfuhr und beinahe seinen Kaffee umstieß, wusste er, dass er ein Prätendent war. Er sah fürchterlich aus, als hätte er in einem Deckelkorb gehaust. Er sprach schnell, mit hoher Umdrehungszahl, als er sich dafür entschuldigte, dass er die Sweeper nicht schon früher informiert habe. Aber da die gesamte Ostküste in erhöhter Bereitschaft sei und man alle Hände voll zu tun habe, mit den jüngsten Auffälligkeiten fertigzuwerden, habe Buffalo es für das Beste gehalten, wenn sich die Sweeper an ihre Zeitpläne hielten.
»Auffälligkeiten?«, fragte Mark Spitz.
»Rückschläge, Komplikationen«, sagte Fabio. »Auffälligkeiten eben.« Er, Fabio, habe das Kommando, bis ein Ersatzmann geschickt werde. Buffalo habe schon die beiden letzten Lebensmittellieferungen ausgelassen.
Der digitale Audioplayer des Büros, der im Kaffeemaschinen-/Mikrowellen-Nexus neben dem Trinkwasserspender auf einem Zierdeckchen thronte, spielte schon die ganze Zeit eine Reihe alter Popstücke, und der plötzliche Wortschwall des DJ s ließ Mark Spitz zusammenfahren: »He, ihr alle da draußen. Ich hoffe, ihr habt Gelegenheit, den Sonnenschein heute zu genießen!« Radiosender waren doch bestimmt noch keine in Betrieb. Der DJ sagte für den Rest des Nachmittags einen klaren Himmel voraus, und Mark Spitz bemerkte, dass es sich um die Aufnahme einer Radiosendung von irgendeinem x-beliebigen Nachmittag vor der Katastrophe handelte, eine Gespenstersendung mit Angeboten von gestern zum Zähnebleichen, Anzeigen für Filme, die in mittlerweile toten
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