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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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ihre Schwäche und erlebten in ihren letzten Atemzügen Erfüllung. Ich war schon immer so. Jetzt bin ich noch mehr ich selbst.
    Sie vertrieben sich die Zeit, machten sich die Nächte so schön, wie sie konnten. Als sie feststellten, dass sie keine Kondome mehr hatten, sagte sie ihm, er solle ihn rausziehen, und sie kamen auf andere Weise. »Es gibt schon genug Babys«, sagte sie. Vor der Seuche hatte er es immer sonderbar gefunden, wenn Leute das sagten, während sie von Überbevölkerung, den Millionen von Kindern ohne vernünftiges Zuhause und den schrumpfenden planetaren Ressourcen der unterschiedlichsten Art quakten. Inzwischen verstand Mark Spitz vollkommen, was sie gemeint hatten, wenn sie fragten: »Was für ein Mensch würde Kinder in eine solche Welt setzen«, um dann Statistiken über verschmutzte Grundwasserspiegel auf der anderen Halbkugel, die erstickte Ökosphäre zu zitieren. Die Antwort lautete: »Nur ein Monster würde ein Kind in diese Welt setzen.«
    Die letzten Schneefälle waren einen Monat her. Sie lagen auf dem Dach und betrachteten die Sterne. Er war nach der Zeit aufgewachsen, als man die Sternbilder noch in der Schule lernte, aber eine Handvoll kannte er. Mim war noch mit einigen anderen vertraut. Sie sprachen mit gedämpfter Stimme. Die Realität: Wenn es so warm war, dass sie in die Sterne gucken konnten, dann war es auch warm genug zum Weiterziehen.
    »Eines muss man der Welt von heute lassen, sie hält einen wirklich schön schlank«, sagte sie.
    »Das ist der Hunger.«
    »Ich glaube, es liegt an der vielen Rennerei. Ich war seit dem College nicht mehr in so einer Form.« Sie brachte das Gespräch auf Buffalo. Mim glaubte noch an Buffalo.
    »Wenn man von einem Ort hört, gibt es ihn schon nicht mehr«, sagte Mark Spitz. »Es kommt mir so vor, als würde das bloße Davon-Hören sein Verschwinden bewirken.«
    »Mit diesem Ort ist es anders. Mit irgendeinem Ort muss es das ja sein.« Sein Kopf lag auf ihrem Bauch. Ihre Fingerspitzen zeichneten Buchstaben auf seine Kopfhaut. Wörter? Einen Namen? Die Namen ihrer Kinder? »Sonst sollten wir gleich jetzt Schluss machen.«
    »Buffalo.«
    »Wenn es da draußen nichts gibt, welchen Sinn hat das Ganze dann?«
    »Es gibt das hier.«
    »Man muss in Bewegung bleiben, Schätzchen. Wenn man an einer Stelle bleibt, ist man bloß ein Irrläufer.«
    In dem alten Witz geht der sture Vater aus dem Haus, um Zigaretten zu holen, und kommt nicht mehr wieder. Die Familie trauert. Heutzutage machte der Schicksalsgefährte einen routinemäßigen Beschaffungsgang und kam nicht mehr wieder. Eines Tages ging Mim weg, um Pfeffer für die Linsensuppe aufzutreiben, und kehrte nicht zurück. Verschwand, einfach so. Er suchte in ihren gemeinsamen Schlupfwinkeln in der Umgebung und in den Geschäften an der Main Street, deren Plünderung sie aufgeschoben hatten, bis wirkliche Not sie dazu zwang. Mims diverse Rucksäcke waren nach wie vor in ihren Verstecken. Er fand keinerlei Hinweis darauf, wo es passiert war, und das spielte eigentlich auch keine Rolle. Er wartete eine Woche. Dann zog er weiter. Wenn es da draußen nichts gibt, welchen Sinn hat das Ganze dann? Er wusste die Antwort nicht. Er schnürte sich die Stiefel.
    Menschen verschwanden. Man wusste nie, dass es das letzte Mal war, dass man sie gesehen hatte. Lange Zeit behielt er von den meisten die Namen. Vor Northampton gab er sich zuweilen der Vorstellung hin, er kehrte eines Tages in einem Elektroauto, das von seinem missmutigen Enkel gesteuert wurde, in sämtliche Städte zurück, in denen er sich während der Katastrophe aufgehalten hatte. Lernte die Kinder oder Ehepartner der Leute kennen, die er draußen im Land kennengelernt hatte, säße ein Weilchen bei ihnen auf dem Sofa mit Schonbezug in dem Terrassenhaus und tränke eine Tasse Tee. Als ob irgendwer, den sie geliebt hatten, es schaffen würde.
    Seit die Soldaten ihn gerettet hatten, fing er an, sie zu vergessen, die Namen. Sie waren Staub in seiner Tasche. Ihre Überspanntheiten, die idiotischen Ratschläge in puncto Lebensmittelsicherheit, die Orte der Rettungszentren, mit denen sie sich zwanghaft beschäftigt hatten, überdauerten länger als ihre Namen. Eines Nachts überkam ihn das Verlangen, in einem der Kleines - Gürteltier - Hefte aufzuschreiben, woran er sich erinnerte. Es legte sich wieder. Er rührte sich nicht aus seinem Schlafsack. Lass sie alle in Frieden, dachte er. Außer ihr.
    Im Unterschied zu Mim fand der Lieutenant ein

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