Zone One: Roman (German Edition)
waren geistesgestört, schrien und mussten gewaltsam herausgeholt werden, bevor man sie zu den Medizinern in Wonton brachte, wo Antipsychotika von bester Qualität auf sie warteten. Ein oder zwei griffen ihre Retter an und schossen die Soldaten in den Kopf, außerstande, an ihre Erlösung zu glauben – und umgekehrt wurden fraglos auch einige Heimstätter unter dem Einfluss ihrer PABS für Skels gehalten. Es waren nicht viele, aber es gab sie. Einige Heimstätter waren noch nördlich der Barriere eingeschlossen; einigen gelang es, Hubschrauberbesatzungen auf sich aufmerksam zu machen, und sie wurden von den Dächern gepflückt. Andere schreckten vielleicht zurück und versteckten sich, wenn sie einen Hubschrauber hörten, zufrieden in dem jeweiligen Weltuntergangstheater, das sich in ihrem traumatisierten Kopf abspielte.
Omega und Gamma machten ihre Waffen schussbereit. Gary zündete sich eine Zigarette an. Mark Spitz musste an das alte Schild an den Schaltern denken: ICH BIN DER STATIONSLEITER . ICH KÜMMERE MICH GERADE UM ANDERE FAHRGÄSTE . SIE ERKENNEN MICH AN MEINER WEINROTEN WESTE . Der Mann gab sich zu erkennen, und als er nahe genug kam, sah Mark Spitz, dass er keine weinrote Weste trug. Es war weder irgendein Angestellter der Verkehrsbetriebe noch irgendein bärtiger, unterirdischer Eremit, der sie anrief, sondern der Lieutenant in voller Kampfmontur, das erste Mal, dass sie ihn so ausgestattet sahen. Ihr lakonischer Boss war er oberirdisch, in Wonton; hier unten war er ein echter Soldat, Veteran der Katastrophe. Beschämt nahmen die Sweeper ihre jeweilige Version von eigenwilliger Kampfhaltung ein. »Dachte, ich gehe mit und verschaffe mir ein bisschen Bewegung«, sagte der Lieutenant.
Er hatte seit Monaten keine Ausrüstung mehr angelegt. »Aber das ist wie Fahrradfahren. Ein Höllenfahrrad, aus Hölle gemacht.« Beim Whiskey am folgenden Sonntag vertraute er Mark Spitz und Kaitlyn an, er habe, was den Broadway anging, eine böse Ahnung gehabt, seit Buffalo grünes Licht gegeben habe.
Mark Spitz stolperte immer wieder über die Querschwellen. Er hatte keine Lust, in der Rinne zu gehen, wo das stehende Wasser ihm in die Stiefel sickerte, also hüpfte er von Schwelle zu Schwelle wie ein Kind beim Himmel-und-Hölle-Spiel. Er war paranoid, was die in die Wand eingelassenen Nischen anging, in die ein Gleisarbeiter ausweichen konnte, wenn sich ein Zug näherte. Jedes schwarze Loch beherbergte ein Skel, jeder Wartungsschacht war voller Feinde, die gleich aufs Gleis strömen würden, die Urbevölkerung, die aus ihrem Schattenhabitat hervorstürzte, um die Eindringlinge zu vernichten.
»In der Subway sind wir noch nie gewesen«, sagte Gary.
»Normalerweise fährt man in Waggons hier durch«, sagte Mark Spitz.
»Meinst du, sie nehmen sie irgendwann wieder in Betrieb?«
»Irgendwie muss man ja herumkommen. Zone One, Zone Two. Sobald es wieder Saft gibt.« In der nächsten Welt würde die Subway eingeschränkt werden, ihrer Fähigkeiten beraubt wie ein gestrafter Gott. Dazu gezwungen, Kindheitsphasen zu rekapitulieren, als sie sich Viertel um Viertel, Linie um Linie durch die wilde Stadt erstreckte.
»Queens?«
»Ich glaube nicht, dass wir Queens so bald säubern«, sagte der Lieutenant. »Queens ist ein anderes Kaliber. Aber Strom wird es irgendwann geben.«
»Es wird schön sein, wieder fernsehen zu können«, sagte Kaitlyn.
»Bestimmt«, sagte der Lieutenant. »In Bubbling Brooks gibt’s einen Idioten, der sich gerade eine Sitcom über die Seuche ausdenkt.« Ein scharrendes Geräusch ließ ihn herumwirbeln, dann setzte er seinen Marsch fort. »Gedreht vor einem Live-Publikum. In einem halbvollen Studio.«
Mark Spitz stellte sich den Buckligen in der Hohlblockkammer anderthalb Kilometer unter der Stadt vor, wie er ein vergilbtes Unterhemd durchschwitzte und den Schalter betätigte. Sofort springen summend hundertausend Kühlschränke an, 12:00 blinkt auf dem Display von einer Million Mikrowellenöfen und DVD -Spielern, all den traurigen Geräten, die sich mitten in ihrem bescheidenen Dienst abgeschaltet haben und auf Anweisungen warten. Die Treppenhausbeleuchtung von Mietshäusern und Bürotürmen geht an, und unter der Erde die roten und grünen Signalleuchten. Die magische Stromschiene in tödlicher Bereitschaft. Die Maschinen erwachen in einer neuen Welt, in der ihre frühere Arbeit nichtig ist. Als wären sie menschliche Wesen, die von der Seuche abgeschaltet und dann für einen anderen Zweck
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