Zone One: Roman (German Edition)
reinitialisiert worden sind.
Er akklimatisierte sich an die unterirdische Welt, an die Echos ihrer Stimmen und Stiefel, die wie Fledermäuse von Wand zu Wand flatterten, an das speiende und strömende Wasser, das aus jeder Ritze quoll. Eine unheimliche Ruhe zog sich in seiner Brust zusammen. An diesem Tag war eine Menge Asche in der Luft herumgewirbelt, hatte sich, in ihrem unaufhörlichen, stupiden Angriff auf seinen persönlichen Bereich, beklemmend in Wächten auf seinen Barrieren gesammelt. Die finsteren Stationen waren wieder ein Asyl, der Bahnsteig ein massiver Fels, an den man sich klammern konnte, wie damals, als er ein jugendlicher Erforscher der Stadt gewesen war und der riesige Menschenstrom ihn attackiert und an ihm gezerrt hatte. Vor der Auflösung der Welt hatte er hier, unter der unermesslichen Tonnenlast der Stadt, der Masse hochfliegender Sehnsüchte und flüchtiger Hoffnungen immer durchatmen und sich auf die nächste Aufgabe vorbereiten können. So war es jetzt auch wieder.
Alles lief ausgezeichnet bis zur Chambers Street, als sie sich der ewigen Frage gegenübersahen: Local oder Express. »Was meinen Sie, Lieutenant, South Ferry oder Brooklyn?«, fragte Joshua. Er ließ die Blase seines gesponserten Kaugummis platzen wie ein gelangweilter Teenager, der zum Familientreffen gekarrt wird. Sie hatten Ratten, getrocknete Blutlachen, Staub und von Kugeln abgesplitterte Subwaykacheln, aber keinen einzigen Skel gesehen. Der Einsatz der Marines war so laut gewesen, dass jeder seuchenblinde Schwachkopf, der sich noch in den Tunneln herumgetrieben hatte, herausgelockt und niedergemacht worden war. Als die Leute vom Entsorgungsdienst kamen, um die Leichen wegzuräumen, hatten sie die ein, zwei Nachzügler erledigt, die herausspaziert kamen wie die unbeliebten Kinder, denen keiner gesagt hat, dass das Versteckspiel schon seit zwei Stunden zu Ende ist. Für Gamma und Omega wurde deutlich, dass es im Untergrund genauso unkompliziert zuging wie bei ihren oberirdischen Säuberungen. Eigentlich sogar noch lockerer, da etwaige Irrläufer – der verwirrte Pendler, der auf die Bahn wartete, die niemals kommen würde, oder der Wertmarkenverkäufer, der vor einem Stapel Zweitagekarten saß – bereits ausgelöscht worden waren. Die Dunkelheit bedrängte sie nicht mehr so sehr.
»Wir machen zuerst South Ferry, gehen bis ans Ende der Strecke und dann auf demselben Weg zurück«, sagte der Lieutenant.
»Dann müssen wir morgen wiederkommen, um den Rest zu machen«, sagte Foreskin.
»Dann kommen wir eben morgen wieder.«
»Wie wär’s, wenn wir den Express übernehmen, und Omega den Local?«, schlug Foreskin vor. Man könne sich aufteilen, sich später hier wieder treffen und Feierabend machen.
Finster starrte der Lieutenant die beiden nach Süden führenden Tunnel, ihre toten schwarzen Augen an. Gary zog die Augenbrauen hoch, spielte den Clown.
»Wir sind Tag und Nacht in der Zone«, sagte Trevor. »Das hier ist bloß ein weiterer Keller, wenn Sie mich fragen. Und in den letzten Wochen haben wir so einige schlimme Keller gesehen.«
»Schlimme Keller«, sagte Joshua. Alle nickten ob der klugen Einschätzung, und Mark Spitz schmunzelte. Niemand kennt die Keller, die wir gesehen …
Der Lieutenant blieb in der Endlosschleife eines der für ihn typischen Momente von Unschlüssigkeit hängen und gab nach. Gamma entschied sich für das Express-Gleis, das südlich der Station leicht abfiel, und Omega übernahm das des Local. Foreskin stimmte erneut Garys Heavy-Metal-Song an, und die beiden Einheiten gingen ihrem Schicksal entgegen. Im Lauf eines späteren Sonntagabend-Gesprächs bedauerte der Lieutenant, dass er nicht mit Gamma gegangen war. »Die böse Vorahnung, die ich hatte, bezog sich auf das Express-Gleis, nicht auf das Local-Gleis, aber als wir uns aufgeteilt haben, ist mir das entgangen. Ich hab’s vermasselt.« Er hatte ein Geschenk mitgebracht: Eiswürfel. Sie klickten und klackten in ihren Gläsern. Kaitlyn zermalmte sie mit den Zähnen. So ist das eben mit dem Express, dachte Mark Spitz: Er bringt einen schneller zum endgültigen Ziel. Die böse Vorahnung des Lieutenants, befand er, hatte diesem gesagt, dass das Express-Gleis zu einer vorherbestimmten Riesenscheiße führte, und deshalb hatte er sich Omega angeschlossen. Um diejenigen zu retten, die gerettet werden konnten.
»Bssss, bssss«, sagte Gary. Er tippte mit der Fußspitze die Stromschiene an.
Mark Spitz marschierte vorneweg. Kaitlyn achtete
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