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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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zu bahnen.
    »Zu Fuß zu gehen ist Quatsch«, sagte Ms. Macy.
    »Wir haben Lastwagen«, sagte Bozeman. Er übernahm die Spitze. Das Südende des Hauptquartiers bildete ein vietnamesisches Restaurant in der Lispenard Street. Sie machten die Lichter in der Küche aus, dann befahl Bozeman einem der Army-Jungs, im Hauptspeisesaal das Gleiche zu tun. Problematisch wurde es, wenn einer der Toten auf der Straße die Bewegung wahrnahm und einen ganzen Schwarm anlockte, der den Ausgang blockierte. Nelson schaffte es, und die Gruppe verfügte sich in den vorderen Teil des Restaurants, bemüht, sich vom Licht der Straßenlaternen fernzuhalten. Die Toten sickerten durch den in Ost-West-Richtung verlaufenden Korridor der Lispenard Street, bevorzugten aber, soweit Mark Spitz es aus seinem Blickwinkel erkennen konnte, die breiten Avenues des Broadways. Auf der anderen Seite standen mit der Nase nach Westen zwei Lastwagen. Je nach Skel-Verteilung in der Hudson Street konnten sie sich durchkämpfen, bis sie die Welle abgehängt hatten.
    »Schlüssel müssten stecken«, sagte Bozeman.
    Ms. Macy sackte neben der Garderobe zusammen. »Damit soll ich fahren?«
    »Ich habe doch gesagt, wir haben Lastwagen«, sagte Bozeman.
    Wir werden schnell sein müssen, dachte Mark Spitz. Das waren Lastwagen zum Herumflitzen, mit Zelttuchplane.
    »Ich bin von gepanzerten ausgegangen«, sagte Ms. Macy. »Scheiße, soll ich etwa auf der Ladefläche sitzen?«
    »Immer noch besser, als zu Fuß zu gehen.«
    »Es hat keinen Sinn«, sagte Nelson. Er hatte geweint. Jetzt weinte er wieder. »Niemand wird uns abholen.«
    »Er hat recht«, sagte Ms. Macy. »Ihr kennt Buffalo nicht. Die schicken keinen Kampfhubschrauber, um einen PR -Gag zu retten, wenn links und rechts die Camps fallen.«
    » PR -Gag«, sagte Fabio.
    »Ihr habt keine Ahnung, wie weit wir von Normalität entfernt sind, stimmt’s?« Sie mokierte sich über ihre Verständnislosigkeit, schnaubte. »Ich bin zu gut in meinem Job.«
    Nelson sagte: »Ich bin der letzte, der von meiner Stadt noch übrig ist. Alle anderen sind tot.«
    »Das hier ist PR «, sagte Ms. Macy. »Es wird noch Jahre dauern, bis wir imstande sind, diese Insel wieder zu besiedeln. Wir haben ja nicht einmal Nahrungsmittel für den Winter.«
    Nelson sagte: »Eigenhändig.«
    Fabio wankte, als hätte er einen Faustschlag in den Bauch bekommen. »Sie haben gesagt, der Gipfel.«
    Wieder spähte sie durch das Glas nach draußen, peilte die Lage und schüttelte den Kopf. »Gipfel. Glauben Sie vielleicht, er kommt zurück? Wenn ich ein gottverdammtes U-Boot hätte, würde ich auch nicht zu dieser Müllkippe zurückkommen. Sehen Sie sich das da draußen doch mal an. Wahrscheinlich überlegen die Arschlöcher gerade, auf welcher Bahamainsel sie sich niederlassen sollen.« Sie überprüfte ihre Pistole. »Warum lächeln Sie?«
    Sie sprach mit Mark Spitz. Scham durchlief ihn, das Echo eines zivilisierten Ichs. Er unterdrückte sie. Er lächelte, weil er sich seit Monaten nicht mehr so lebendig gefühlt hatte. Seit er den Laden der Wahrsagerin verlassen hatte, während die Kinetik der Artillerie durch seine Stiefelsohlen hämmerte, in seine Knochen schütterte, Synchronizität mit dem Pochen seines Herzen suchte, war er in einen Zustand bebender Euphorie eingetreten. Er glich einem alten, mit abblätterndem Lack gestrichenen Mietshaus-Heizkörper, der in einer Ecke klopfte und pfiff, während er sich mit heißem Dampf füllte. Die Empfindung erreichte in dem Moment ihren Höhepunkt, da die Mauer zusammenbrach, und mit ihrem Abebben kam ihm eine traurige Erkenntnis: Es waren nicht die Toten, die die Barriere durchbrachen, sondern das Ödland selbst, das Territorium, das er seit dem Farmhaus in Schach gehalten hatte. Es umfing ihn; er schlüpfte in es hinein. Macy hatte recht. Am Fähranleger würde es keine Rettung geben, keine Hubschrauber würden nach der längsten Nacht der Welt im Morgengrauen vom Himmel fallen. Sie hatten den Kontakt verloren, weil sich die schwarze Welle überall hingewälzt hatte, kein Ort von dieser Sintflut verschont blieb, alle darin ertranken. Natürlich lächelte er. Hier gehörte er hin.
    Auf Bozemans Signal hin stürmten sie los, das traurige Grüppchen, wobei die Army-Typen an ihrer dem Broadway zugewandten Flanke Deckung gaben und Mark Spitz mit Fabio vorneweg rannte. Das Gewehrfeuer der Gefechte auf der Canal Street konnte die Schüsse nicht übertönen, mit denen sie die Skels auf der Lispenard erledigten.

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