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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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Kreuzung und zerschmetterte das Gesicht eines Army-Schreibers, der eine der Scharfschützinnen in ihrem Nest durch Gesten auf irgendetwas aufmerksam machen wollte. Das umstürzende Betonsegment riss den Laufgang von der Mauer, und die Metallarmierung hielt seinen Sturz noch einen Moment auf, während Soldaten auf die Straße geschleudert wurden; dann gab es nach. Der Soldat mit dem zerschmetterten Gesicht fiel im gleichen Augenblick auf die Knie, in dem der Betonbrocken auf den Boden krachte und den Entsorgungsmitarbeiter, der eine Ladung verwesender Haustiere in Richtung Verbrennungsöfen schob, ebenso zermalmte wie einen jungen Soldaten, der gerade eine der Leitern auf den Laufgang hinaufgeklettert war. Die Toten schwappten durch die Lücke, kletterten über die Betonrampe und die zermalmten Leiber, verloren auf der unebenen Fläche das Gleichgewicht und trudelten in grotesken Bauchlandungen auf die Canal Street. Sie traten aufeinander, trieben einander in einem Strom vorwärts, verteilten sich, nachdem sie so lange eingepfercht gewesen waren, in gierigen Rinnsalen nach Osten und Westen und downtown. Einige der Toten, die unten in dem Haufen eingeschlossen gewesen waren, rappelten sich wankend hoch und schlossen sich dem Vorstoß an.
    Hier kamen sie, die Botschafter des Nichts. Schon war der Vordereingang der Bank unpassierbar, schon drangen die Toten bis einen Block südlich der geborstenen Barriere vor, um die Zone für sich zu reklamieren. Die Soldaten auf dem Laufgang waren aufgeschmissen. Sie schossen mit ihren Sturmgewehren hinunter in den Mahlstrom von Skels, aber das Gerüst endete auf beiden Seiten in Rampen, und die Männer und Frauen saßen fest. Der Zeitpunkt, zu dem man noch einen Sprung hätte riskieren können, verstrich; es gab keine freie Stelle mehr, auf der man hätte landen können, so rasch waren die Toten auf die Straße geströmt. Ein Teil von ihnen blieb zurück, um sich über die wie gelähmten Soldaten am Fuß der Mauer herzumachen, aber die meisten liefen auf der Suche nach anderer Nahrung weiter die Avenue entlang. Die Mehrheit der Scheusale machte nicht zum Fressen halt, als wäre es Mahlzeit genug, auf die leeren Straßen losgelassen zu werden, als genügte es ihnen vorderhand zu gehen, über den Tod hinaus fortzudauern.
    Mark Spitz schauderte, während er durch die wirbelnde Asche auf sie hinabsah. Die Toten strömten am Gebäude vorbei wie Buchstaben auf einem elektronischen Ticker am Times Square, Abstraktionen, die ebenso undurchschaubar waren wie Quiet Storms Fahrzeuge. Er hatte immer suchend aus den Wolkenkratzerfenstern auf die Straßen geschaut. Näher am Boden, fast auf ihrer Höhe, deutete er ihr unmenschliches Vorbeiziehen als Aussage: Ich war hier, ich bin jetzt hier, ich habe existiert, ich existiere immer noch. Das hier ist unsere Stadt.
    Eine Explosion durchfuhr die Dunkelheit mit mehreren Eruptionen, löste neue Beben und Erschütterungen aus, die an die Stelle des zum Schweigen gebrachten Trommelfeuers der Artillerie traten. Der Motorblock eines Lastwagens durchflog in erschöpfter, brennender Kurve den Raum und schlug in ein Fastfood-Lokal ein, in dem Mark Spitz im Lauf der Jahre insgesamt siebenmal gegessen hatte. Es war nie ein ausgesprochenes Ziel gewesen, aber es war eine Zuflucht inmitten von Stadtgängen, zwischen Erledigungen, wo man die Zeit totschlagen konnte, bis es aufhörte zu regnen, es war warm, und er war schon dort gewesen. Es gehörte zu seiner Stadt.
    »Das ist der Dieseltank, der hochgeht«, sagte Bozeman. Eine verirrte Kugel oder die Selbstaufopferung eines ertrinkenden Soldaten, der die knabbernden Monster im Explosionsradius mit sich in den Tod riss. Die Scharfschützen verließen eilends ihren Posten, um sich einen Fluchtweg zu sichern, aber es war zu spät. Der Eingang zu jedem Gebäude in Mark Spitz’ Blickfeld war bereits verstellt. Er hörte Fabio Strategien entwerfen, während die drei die Treppe hinunterhasteten, um die Eingangstür der Bank zu sichern, aber Mark Spitz’ Verstand war zu sehr mit seinen Überlebensplänen beschäftigt, als dass er irgendetwas verstanden hätte. »Heißt das denn nun, wir bezeichnen es ab sofort nicht mehr als Interregnum?«, fragte er. Eigentlich an Omega gewandt. Aber von denen war keiner da. Er lieferte selbst Garys Antwort: »›Auszeit‹ trifft es wohl eher.« Draußen explodierte eine Granate.
    Als er den marmornen Treppenabsatz erreichte, von dem aus das Erdgeschoss zu überblicken war – nachdem

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