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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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er sich zuvor im Büro mit einem Sturmgewehr, einigen Magazinen und, einer spontanen Regung folgend, einem Gürteltier-Helm ausgerüstet hatte –, war die Eingangstür bereits gesichert worden, und die Griffe der übergroßen Messingtür waren mit schwarzem Kabel umwickelt. Im Gebäude hielten sich noch fünf andere auf: Fabio, Bozeman, zwei Army-Trottel mit Grünschnabelgesichtern namens Chad und Nelson, die Mark Spitz nicht kannte; und eine wütende Ms. Macy, die immer wieder das Magazin einer Neun-Millimeter-Pistole überprüfte und murmelnd mit sich selbst haderte. Unter Druck gesetzt, mit einer Pistole an seiner Schläfe oder Zähnen an seiner Halsschlagader, hätte Mark Spitz geschworen, dass sie sagte: »Ich wusste gleich, ich hätte den Hubschrauber nehmen sollen.«
    Chad stammelte, sie hätten den Südausgang gesichert – den Zugang zur Lispenard Street. Wonton hatte die hintere Wand der Bank durchbrochen, um sie mit dem Rest des Blocks zu verbinden, der für das Planquadrat nur schwach besetzt war. Es war Sonntag Nacht. Truppen waren zu einem Aufklärungseinsatz nach Happy Acres geschickt worden, und man hatte mehr Soldaten als üblich auf der Mauer und auf den Dächern postiert, damit sie sich um die Flut von Toten kümmerten, aber der größere Teil der Besatzung war über die ganze Zone verstreut und mit seinen Freizeitvergnügungen und Sonntagabend-Tröstungen beschäftigt. Die Scharfschützen der A-Liste und die Sweeper, die unverzichtbaren Schreiber und die rehäugigen Ingenieure. Da General Summers freihatte und sich in ihrer Unterkunft aufhielt, hatte Bozeman das Kommando. Summers wohnte in der Greenwich Street, in einem Loft, das einem notorisch ausschweifenden Spross eines europäischen Königshauses gehörte. Großartige Kunstwerke, berichteten alle. »Sollen wir versuchen, zu ihr zu kommen?«, fragte Fabio.
    Bozemann schüttelte den Kopf. »Inzwischen kennt sie die Lage. Jeder ist auf sich allein gestellt.« Er wies darauf hin, dass Summers’ Unterkunft fast einen Kilometer südlich von Wonton lag; mit etwas Glück sei sie schon auf dem Weg zum Sammelpunkt.
    »Und der wäre?«, fragte Ms. Macy.
    Das erste und letzte Gespräch über eine Rückzugsposition habe während der anfänglichen Säuberungsaktion stattgefunden, erklärte Bozeman, als der Battery Park der für die Operation festgelegte Bereitstellungsraum gewesen sei. Der Staten Island Ferry Terminal habe in jenen ersten Tagen als Kommandozentrale gedient. »Von dort können wir Luftunterstützung bekommen. Rettungsmittel. Boote. Falls sich die Leute daran erinnern, dass sie dorthin gehen sollen«, fügte er hinzu.
    »Und falls es überhaupt noch jemanden gibt, der uns abholen kann.«
    Mark Spitz klopfte sich die Brust ab, um sich zu vergewissern, dass alles da war, und wurde daran erinnert, dass sein Zeug im Hinterzimmer der Wahrsagerin lag. Kein Kontakt mehr zu Happy Acres und auch nicht zu den anderen Camps: Das war kein lokales Ereignis. Vielleicht verschlang dieser dunkle Tsunami die gesamte, unter einem Unstern stehende Küste, Camp um Camp, vielleicht geschah das ja auch überall, auf der ganzen Welt. Der Patient stabilisierte sich eine Zeitlang, doch nun kündigten sich die letzten Zuckungen an, die schwächer werdenden Krampfanfälle, die das Fleisch des Körpers auf Zimmertemperatur brachten. Auf Gerede von Rettung konnte Mark Spitz sich einlassen, und sei es nur den beiden Army-Jüngelchen zuliebe. Bei jener ersten Einsatzbesprechung in dem Jiaozi-Laden hatte der Lieutenant den Fähranleger zur Rückzugsposition bestimmt, entsann er sich. Oder erfand er diesen Moment bloß, so wie man sich zum Komplizen der wechselnden Prämissen eines Traums macht? Die anderen Sweepereinheiten waren, bei Alpha angefangen, längst unterwegs; bestimmt war die Welle der Toten inzwischen an dem Jiaozi-Laden vorbeigefegt. Er hoffte, sie hatten Waffen bei sich, hatten nicht den ganzen Tag dem gesponserten Alkohol zugesprochen.
    »Wir haben keine Zeit«, sagte Mark Spitz.
    »Wofür?«
    »Um hier herumzusitzen.«
    Sie eilten durch die Eingeweide von Planquadrat 003, Broadway und Canal, Geschäftsviertel, liefen durch die Termitengänge, die das Army Corps of Engineers gegraben hatte. Draußen auf der Straße strömten die Toten Richtung downtown. Die Mauer war durchbrochen, aber das Nadelöhr in Verbindung mit der Wechselhaftigkeit von Skel-Verteilungsmustern bedeutete, dass sie noch eine Chance hatten, sich einen Weg durch diese lokale Verdichtung

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