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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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Straße herunterzusein; er malte sich aus, wie die Toten auf den abschüssigen Straßen downtown Tempo gewannen, wie die Schwerkraft sie an den unteren Rand der Landkarte zog. Sobald sich die Kreaturen gleichmäßig über Zone One – konnte er sie überhaupt noch so nennen? – verteilt hatten, gab es kein Durchkommen mehr. Wahrscheinlich war es schon zu spät, die Subway als Abkürzung zu benutzen. Inzwischen stiegen sie bestimmt schon vereinzelt die Treppen zu den Bahnsteigen hinunter.
    Mark Spitz hatte nie eine Flucht von der Insel durchgespielt, aber es stimmte, der Fähranleger war eine gute Möglichkeit. Zumal, wenn man den üblichen Verkehr auf den Brücken berücksichtigte. Die nach Brooklyn führenden Brücken waren blockiert, aber die Hindernisse ließen sich überwinden, wenn man Zeit hatte. Das Problem war, dass die Legionen von Toten sich zwangsläufig über die gesamte beträchtliche Länge der Brücke bis zum anderen Stadtbezirk verteilten. Er hatte sie immer seltsam gefunden, die Anhänglichkeit der dort Zusammengeströmten, als gierten sie in ihrem entmenschten Zustand noch immer nach Manhattan. Damals wie heute glaubten sie, die Magie der Insel würde sie von ihren Krankheiten heilen.
    Rasch, falls Gary sich schon verwandelt hatte, durchkämmte er den Laden. Nichts rührte sich. Kaitlyn hatte sich schon in Marsch gesetzt, um nachzusehen, was in Wonton passierte. Inzwischen hatte sie die Lage sicherlich erfasst, und er hoffte inständig, dass sie daran dachte, schleunigst den Fähranleger anzusteuern. Vielleicht waren sie im Dunkeln aneinander vorbeigegangen, wie früher immer, in der alten Zeit der lebendigen Stadt. Passierte ständig, dass sich jemand, den man liebte, einen halben oder einen Block entfernt durch die Straßen bewegte, durch seinen Tag navigierte, ohne zu ahnen, wie nahe man ihm war. Man verfehlte einander einfach.
    Er schloss die Tür zu der Wohnung hinter dem Laden, um das Licht vor den vereinzelten Toten zu verbergen. Er zündete eine Kerze an, sah sich trotz der fadenscheinigen Verheißungen von Architektur abermals in den öden Steppen. Gary hatte die Decke durchgeblutet, die Kaitlyn über ihn gebreitet hatte. Wie lange nachdem Mark Spitz nach Wonton aufgebrochen war? Als er einen Block entfernt gewesen war? War die Entscheidung nach kurzem Abschiedsgeplauder mit Kaitlyn gefallen, als er spürte, wie etwas in seinem Gehirn sich veränderte? Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er Kaitlyn unter einem Vorwand weggeschickt und dann die Gelegenheit ergriffen.
    Mark Spitz hob die Decke an. Das war kein Job, bei dem Gary schludern würde, aber man musste sich vergewissern, dass er es richtig gemacht hatte. Wie es aussah, hatte Kaitlyn ihm zur Sicherheit noch zwei Kugeln verpasst. Er wollte die Decke gerade wieder fallen lassen, als er das Papier in Garys Hand sah.
    Er löste es aus seinen Fingern, legte seinen Freund wieder zurecht und ließ sich in den grünen Sessel sinken, der dem Sofa gegenüberstand. Nach den Knittern und abgewetzten Rändern zu urteilen, hatte Gary es lange Zeit mit sich herumgetragen, von Tasche zu Tasche zu Tasche. Seit wann, seit welchem Asyl, in der Dunkelheit wie vieler aufgegebener Zufluchtsstätten war es zur Hand genommen worden? Vielleicht hatte er es seit der Letzten Nacht bei sich getragen. Es war vorsichtig aus einer Zeitschrift herausgerissen worden, eine gleichmäßige Ausfransung kennzeichnete den inneren Rand. Auf einer Seite wölbte sich die Insel aus den blauen Wassern des Mittelmeers, ein höckeriger Felsklotz. Sie sah aus wie eine Granate, dachte er. Auf der anderen bot sich eine Straßenszene dar: Eine schmale Gasse wimmelte von Frauen und Männern, die ihren Geschäften nachgingen, vielleicht in der Mittagszeit. Ein Andenkenladen verkaufte Postkarten auf langen Drahtgestellen, azurblaue Rechtecke, auf denen weitere Bilder der Insel zu sehen waren. Ein junges Paar saß, die Finger ineinander verflochten, an einem kleinen Tisch vor einem Café, über dessen Eingang das rot-weiß-braune Logo des Espressoherstellers halb im Schatten lag. Der schief stehende Tisch stieß die Beine in Ritzen zwischen Pflastersteinen. Neben den roten Sandalen der Frau lagen eine Streichholzschachtel und ein kleines Bündel Servietten, die den Tisch zuvor am Wackeln gehindert hatten.
    Die Vorstellung, dass Gary die ganze Zeit ein Bild von Korsika, Frankreich, in seiner Tasche durch die Wüste geschmuggelt und sich dabei durch seine Spanischlektionen gequält hatte,

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