Zone One: Roman (German Edition)
zusammen. Auf den Platzdecken unter gläsernen Tischplatten tummelte sich die Menagerie des chinesischen Tierkreises. Mark Spitz sah, dass es das Jahr des Affen war. Eigenschaften: lebenslustig, witzig, unterhaltsam. In der klumpigen, trüben Brühe in dem Aquarium am Eingang dümpelten tote Fische.
Der Lieutenant nahm seinen Platz am Empfangspult ein und teilte ihnen mit, dass sie von jetzt an bei jedem Gefecht einen Ereignisbericht ausfüllen müssten. Das Dekor spiegelte sich in tiefroten und goldenen Funken in seiner Pilotenbrille. Angesichts seiner nächtlichen Bourbon-Flüge war die Sonnenbrille auch im Dämmerlicht des Restaurants ein kostbarer Schutz für seine empfindliche Netzhaut.
Buffalo, erklärte er, wolle Informationen über den allgemeinen Verlauf jedes Gefechts, aber man lege besonderen Wert darauf, dass die Sweeper demographische Daten sammelten: das Alter der Ziele, ihre Dichte am jeweiligen Ort, der Gebäudetyp, die Anzahl der Stockwerke. Fabio, der Stellvertreter des Lieutenants, hatte die Canal Street nach speziellem Zubehör für ebendiesen Zweck durchstöbert. Er überreichte seinem Chef den Karton mit Kinder-Heften, und der Lieutenant schwenkte ihn hoch über seinem Kopf und wies darauf hin, dass sie mit einer praktischen Lasche versehen seien, in der ein kleiner Stift stecke. Die handtellergroßen Hefte hatten Einbände in Bonbonfarben und waren randvoll mit den Figuren und Arkana eines erfolgreichen und alteingesessenen Kinderunterhaltungskonzerns. Der Schöpfungsmythos der Produktlinie handelte von den Abenteuern eines schlauen, effeminierten Gürteltiers und seiner Gefolgschaft einfallsreicher Wüstengeschöpfe. Obwohl die Mutterfirma einer der ersten offiziellen Sponsoren des Wiederaufbaus war, hatte Buffalo – mit Ausnahme des gut eingeführten Heftpflasters – bislang wenig Verwendung für die damit verbundenen Waren. »Sie werden dieses Beispiel überlegener japanischer Fertigungstechnik zweifellos zu schätzen wissen«, sagte der Lieutenant und ließ den Stift hin- und hergleiten.
Die Sweeper stöhnten und gaben Rülpser von sich, die nach dem geheimnisvollen fernöstlichen Getränk dufteten und die Luft mit Ingwer durchsetzten. Seiner Gewohnheit entsprechend, äußerte der Lieutenant sein Bedauern über das Theater. Er bevorzugte einen lockeren Ton und ließ das Protokoll außer Acht, wenn es seinen Zwecken diente. Sich selbst als der hippe junge High-School-Lehrer darzustellen gehörte zu seiner Strategie, sie am Leben zu halten, so Mark Spitz’ Theorie. Die Sweeper des Lieutenants waren eine traditionslose Brigade, um das mindeste zu sagen, Freiwillige aus der Zivilbevölkerung, ungeschult in der routinemäßigen Gehässigkeit des militärischen Umgangs. Die Kurse und Übungen ihrer Grundausbildung waren die in Sekundenbruchteilen getroffenen Entscheidungen und schlichten, indifferenten Zufälle gewesen, die ihnen erlaubt hatten, bis jetzt zu überleben. (Obwohl hinzugefügt werden muss, dass die meisten seit dem Ausbruch der Seuche einen Schnellkurs in den Grundlagen des Umgangs mit Schusswaffen bekommen hatten.) Soldaten der neuen Sachlage. Was nützte es, sie auf strenge militärische Maßstäbe festzulegen, wo sie dafür nicht im mindesten prädestiniert waren: nicht beschäftigungsfähige Mann-Kinder, ehemalige Cheerleader, Vertreter für Luxusboote, Turnlehrer, Food-Blogger, Patentreferenten, Cafeteria-Bedienungen, Disponenten internationaler Speditionen. Leute wie Mark Spitz, scheinbar unausrottbare menschliche Kakerlaken, von einem Panzer aus Glück geschützt. Oberste Priorität des Lieutenants war, dafür zu sorgen, dass ihre Gliedmaßen und sonstigen Teile fest mit ihrem Körper verbunden und frei von Zähnen blieben; dann kamen die mittelbaren Ziele; und schließlich die Befolgung der überholten Richtlinien einer überholten Welt.
Erleichtert wurde die lässige Einstellung des Lieutenants durch den Umstand, dass die Primärziele der Sweeper Irrläufer waren. Verglichen mit dem, worauf die Marines bei jener ersten, gewaltigen Säuberungsaktion in Manhattan getroffen waren, hatten die in dem Jiaozi-Laden Versammelten es einfach. Wäre es anders gewesen, hätte Mark Spitz sich nicht für die Insel verpflichtet, Heimweh nach New York hin oder her.
»Buffalo hat wie immer Großes mit euch vor«, sagte der Lieutenant. Er schob die Schachtel mit den Heften dem maultieräugigen Klotz zu, der am nächstgelegenen Tisch fläzte, einem Mann, der unter dem Spitznamen
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