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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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Vom Gelächter der Army-Typen und der anderen neuen Rekruten ganz benommen, hatte er die Kantine verlassen, um frische Luft zu schnappen. Es war in jenen Tagen kurz vor dem Inkrafttreten der Vorschriften über Plünderung, und Sammeltrupps hatten eine Gruppe von Banditen aufgestöbert, die einen der Mega-Drugstores besetzt hatten. Bei der anschließenden Schießerei war die Hälfte von ihnen ums Leben gekommen, und die andere Hälfte hatte nach ihrer Kapitulation bereitwillig einen Treueeid auf die provisorische Regierung abgelegt. Sie kamen mit drei Lkws voller Medikamente wieder. Unnötig zu erwähnen, dass alle sich ihren Anteil nahmen, sich die Allzweckwesten mit Beute füllten, Allergietabletten und die Lieblingszahnpasta gegen hartnäckige Beläge, nach Möglichkeit in Reisegröße. In der alten Welt hatten diese Produkte sie am Laufen gehalten, und sei es nur aufgrund des Placeboeffekts. Die Soldaten machten davon Gebrauch.
    Nachdem sie sich gegenseitig Heldengeschichten über ihre jeweilige Ausbeute erzählt hatten, wandte sich das Gespräch Spekulationen darüber zu, was wohl in Manhattan an Zigaretten zu holen wäre. Eine Menge Leute hatten in letzter Zeit zu rauchen angefangen. Meldungen über eine mögliche Operation in New York begannen durchzusickern, und am Morgen hatten die Kuriere aus Buffalo Gerüchte über die jüngste Operation im Süden – die Wiederinbetriebnahme eines Wasserkraftwerks – verbreitet. Dann erzählte einer der Scharfschützen – er hieß Gibson – eine Geschichte von einer gescheiterten Skel-Verbrennung. Der oberste Skel auf dem Haufen war zwar neutralisiert worden, aber offenbar schickte ein Teil seines Gehirns noch immer Befehle. Das Feuer aktivierte die Kreatur, sodass es aussah, als würde der Skel in den Flammen »breakdancen«. Mark Spitz hatte – eher wegen Gibsons trockener Erzählweise als wegen der Anekdote selbst – in das allgemeine Gelächter eingestimmt, als sein Kopf sich plötzlich wie bleiummantelt anfühlte und sein Blick verschwamm. Es war, als hätte ihm jemand mit einem Metallrohr einen Schlag auf den Kopf versetzt – im College hatte er tatsächlich einmal einen Schlag mit einem Bleirohr auf den Kopf bekommen, als eine Gang aus der Stadt beim Frühjahrskonzert aufgetaucht war und Streit gesucht hatte. Rückblickend war dieses Gefühl des Ertrinkens das erste Anzeichen dafür, dass etwas mit ihm schiefzugehen begann, als er aus dem Ödland kam.
    Er brauchte frische Luft. Er schob sich zwischen den Plastikklappen des Zelteingangs hindurch und verlor sich zwischen den Reihen der Hütten, wankte zwischen den rot-gelben Nylonzelten umher, in denen die Neuankömmlinge untergekommen waren, die ebenfalls ihre erste Nacht in Happy Acres verbrachten. Er spürte, wie sie angesichts seiner langsamen Schritte erstarrten, deretwegen er sich wie einer der Toten anhörte. Da und dort wurde ein Kopf herausgestreckt, dann beruhigte sich der Betreffende und zog sich wieder zurück. Er hielt auf die Reihe von Flutlichtern am anderen Ende des Camps zu. Da waren sie, hinter dem Zaun, hell erleuchtet, genau ausgerichtet, von verheißungsvoller Schwere: die heiligen Stengel, brusthoch, in der Dunkelheit verschwindend. Er hatte drei ordentliche Mahlzeiten pro Tag bekommen, sich richtige Witze angehört, ganze Banden von Schmuddelkindern gesehen – wann hatte er das letzte Mal mehr als ein Kind auf einmal gesehen? Und jetzt frischer Mais. Die Wunder wurden alltäglich. Sie schossen wie Unkraut.
    »Mach, dass du von dem Mais wegkommst, Mann.« Die beiden Wachen richteten ihre Waffen auf seinen Kopf, auf zwei der empfohlenen fünf Skel-Abschusspunkte. Die Wachen konnten nicht älter als sechzehn sein. Er beneidete sie nicht um ihren Dienst. Die Feldfrüchte waren wichtig. Sie gaben vor, inwieweit sich das diesjährige Maß an Menschlichkeit vom letztjährigen unterscheiden würde. Er winkte die Gewehre weg und glotzte. Es war komisch: so gegen das Tor gedrängt und im leichten Wind zitternd, glichen sie beinahe einer Armee von Skels, die sich den herrlichen Zeichen von menschlichem Leben im Camp näherten. Wahrscheinlich ging die Hälfte von dem Zeug nach Buffalo, aber das spielte keine Rolle. Es war trotzdem ein Wunder. Mark Spitz machte, dass er von dem Mais wegkam.
    Der Lieutenant: »Und noch einmal, bitte ignoriert das Gerede darüber, was sie angeblich als Dünger benutzen. Was noch, meine jungen Freunde, was noch? Angeblich wird der neue Verbrennungsofen das doppelte

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