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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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Decken und Federbetten, deren Anzahl und Dicke auf eine andere Jahreszeit verwiesen, einen vorangegangenen Winter von mysteriöser Bedeutung. Wie sie eine CD in das Spielgerät schoben. Im Spagat auf der Yogamatte. Flocken aus einer Schale löffelnd. Im toten Netz surfend. Gähnend. Sich reckend. Zahnseide benutzend. Entspannt und allein in ihrem Habitat.
    Was Omega anging, war ihr Habitat Zone One.
    In der Personalabteilung sammelte Gary Handtaschen ein und las vor, wie alt die Toten waren. Mit Namen hielt er sich erst gar nicht auf. Kein Mensch interessierte sich für die Namen, weder sie selbst noch die höheren Tiere. Da es keine mit Beginn der Letzten Nacht geführten Aufzeichnungen über die Toten gab, hatte das keinen Sinn: Es war leichter, Aufzeichnungen über die Lebenden zu machen. Zunächst einmal hatte man es dabei mit niedrigeren Zahlen zu tun, die angesichts der Erhebung der Überlebendenlisten in den Status heiliger Schriften zudem noch unanfechtbar waren. Sie erlitten Rückschläge – Nachschubverbindungen brachen zusammen, und Flüchtlinge wurden überrannt; inzwischen kam das nicht mehr so oft vor, aber während des Interregnums war jeder zigmal gezwungen gewesen, aus einem Versteck oder schlecht gewählten Unterschlupf zu flüchten. Ungeachtet der täglichen Vorstöße und Rückzüge hielten die Überlebenden ihren Datenstrom in die Zonen der Stabilität eigensinnig aufrecht, über Funk, auf Papier gekritzelt, aus dem Gedächtnis zitiert von dem müden Boten einer aus der Kälte kommenden Gruppe: Das sind die Lebenden.
    Kaitlyn beauftragte Gary mit dem Einsammeln von Ausweispapieren, nachdem sie schon zig Planquadrate zuvor Mark Spitz’ Abneigung dagegen mitgekriegt hatte. Er schreckte davor zurück, in die Brieftaschen von Leuten zu schauen, ihre Handtaschen zu durchwühlen. Da drin flottierte zuviel von der toten Welt. Der Müll, der als Identität durchging, die teilchenförmigen Überreste einer Existenz im einundzwanzigsten Jahrhundert, schwebte herab und schlug sich am Boden von Brieftaschen, Clutches und Kuriertaschen nieder. Die Kennzeichen ihres kurzen Erscheinens auf dem Planeten warteten auf Mark Spitz: die aromatisierten Kaumgummis und Lippenbalsame, die nie wieder hergestellt werden würden, die verhassten Führerscheinfotos, die der einzige Beweis dafür waren, dass sie einmal ein Gesicht gehabt hatten, die Schnappschüsse von Kindern, Collies und Freunden, die Tampons für den Fall der Fälle. All die Schlüssel zu leeren, inzwischen mit Blut ausgemalten Wohnungen, wo auf den wandbreiten Betten Liebhaber verwesten. Die fossilen Beweise dafür, dass es außer Überlebenden auch einmal andere Typen von Menschen gegeben hatte.
    Inzwischen wurde ihm, neueste Äußerungsform seiner PABS , vom Berühren dieser Artefakte übel. Das erste Mal war ihm schlecht geworden, als die Einheit gerade die Säuberung eines Geschäfts für Partybedarf abgeschlossen hatte, eines kleinen Winkels in der Reade, die abseits des Broadway eine Oase niedriger Mieten bildete. Staubige Kostüme hingen wie an Fleischerhaken von der Decke: Cowboys und Roboter aus sensationell erfolgreichen Sciencefiction-Trilogien, ethnisch obskure Maskottchen aus Kinderprogrammen, Dschungeltiere mit langen Schwänzen, gedacht zum koketten Kitzeln von Gesichtern. Ganze Königreiche von Prinzessinnen samt ihren am königlichen Fließband herausgestanzten Plastikrequisiten und die obligatorische verruchte Krankenschwester, die, auf ihrer Visite leicht vornübergebeugt, in der toten Luft hing. Von Zündquellen fernhalten. Nur für Unterhaltungszwecke. Die Masken waren in Korea hergestellt, das dem Westen die Gesichter lieferte, die dieser dem Rest des Globus geschenkt hatte: Präsidenten, Filmstars und Massenmörder. Schon nach fünf Minuten löste sich unweigerlich der Gummifaden vom Grundmaterial. Das Transplantat wurde abgestoßen.
    Gary kauerte auf dem Boden des Partybedarfsladens und schlitzte mit seinem Messer den Bauch einer Pinata in Ziegengestalt auf. »Wir haben gar nicht gewusst, dass diese Süßigkeiten noch hergestellt werden.«
    Mark Spitz zog seinen Handschuh aus und rollte ein paar Bonbons in der Hand. Es waren Geschmacksmischungen aus Früchten, von denen er noch nie gehört hatte, die Habitués eines Dschungels auf einer anderen, feuchtheißen Halbkugel. »Das Zeug ist schon seit vor deiner Geburt da drin«, sagte er.
    Sanft löste Kaitlyn die Pinata aus Garys Händen. »Babysitten ist echt lästig.«
    Gary gab zu

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