Zone One: Roman (German Edition)
jugendlichen Soldaten kauerte, dessen frische Ausrüstung offensichtlich noch nie zuvor getragen worden war. Vermutlich der erste Ausfall des Jungen aus dem Camp, seit er aus der Wildnis gekommen war. Der Soldat krümmte sich immer wieder in Fötushaltung, zog sich zusammen und schnellte auseinander und schmierte dabei mit dem Körper durch eine Lache Erbrochenes.
»Was ist los«, fragte Mark Spitz, »ist er gebissen worden?«
»Nein, ist bloß Papst«, hörte er den Funker sagen. Der Rekrut stöhnte weiter.
»Papst?«
»P-A-B-S, Mann, er hat P-A-B-S. Hilf mir mal.«
An jenem Nachmittag in der Personalabteilung war Mark Spitz dankbar für Kaitlyns Empathie, mit der sie ihm den Identifizierungsdienst ersparte, und es wurde offensichtlich, dass Gary diesen Job genoss. »Ronkonkoma?«, fragte er, in der Hand den Führerschein einer der Ladys der Personalabteilung. »Davon haben wir mal Pusteln am Schwanz gekriegt.« Diese Information nahm Kaitlyn nicht in den Bericht auf.
Leichen in Leichensäcke zu stecken rief dagegen keinerlei Symptome bei Mark Spitz hervor. Er nahm vier Leichensäcke aus seinem Rucksack und faltete sie auseinander, sodass ein Geruchsdschin von neuem Vinyl sich zu voller Größe reckte. »Du nimmst Tante Ethel und Gums da drüben«, sagte Gary.
Mark Spitz fing mit dem Skel in Rosa an, um das Schwerste hinter sich bringen. Er packte es an den Knöcheln und zerrte es auf das Plastik, verstaute seine Füße in der Hülle. Die Strumpfhose pellte sich von den Zehen wie eine Bananenschale.
Er hatte immer noch eine Schwäche für Miss Alcott, noch nach all den Jahren, denn in ihrem Englischunterricht war ihm aufgegangen, dass er vollkommen durchschnittlich war. Jeden Donnerstag ließ sie Mark Spitz und seine Klassenkameraden einen Wortschatztest schreiben – »Bilde einen Satz mit diesem Wort aus der Auswahllektüre« –, und es war schwierig, das Muster bis Dezember nicht durchschaut zu haben. Er war ein gründlicher, eingefleischter Zweierschüler. Das war sein Weg. Er lernte stundenlang, und da wartete sie auf ihn, die Zwei, mit roter Tinte umkringelt, seltsam einladend, stumm verzeihend. Oder er weigerte sich, seine Bücher aufzuschlagen, und überfraß sich stattdessen zur Hauptsendezeit an einer Riesenportion Sitcom: Er bekam trotzdem eine Zwei. Es war ein kleines Theaterstück, das er jede Woche aufführte, und er traf instinktiv die Markierungsstriche, wenn er über die Bretter der Mittelmäßigkeit schritt. Er war nicht unintelligent; ja, seine Lehrer waren sich darin einig, dass er sich in seinen Diskussionsbeiträgen oft recht scharfsinnig und klug zeige und es »eine wahre Freude« sei, »ihn in der Klasse zu haben«. Die Adjektive in seinen Zeugnissen enstammten einer Sammlung von speziellen Bestimmungswörtern für Lehrer und beschrieben einen Menschen von größerer Begabung, als die am Ende jedes Schuljahrs zuerkannten Noten vermuten ließen. Es war alles vorhanden. Sogar Extra-Zubehör. Nur mit der Ausführung klappte es nicht so recht.
Im Lauf der Jahre versöhnte sich Mark Spitz mit seiner Befindlichkeit. Das nahm den Druck weg. Eine Kraft von oben hielt ihn unten, und eine Gegenkraft von unten drückte ihn nach oben. Er schwebte auf der Gewöhnlichkeit.
Er schloss den Reißverschluss über der blutenden Leiche, deren verzerrte Gesichtszzüge denen seiner Grundschullehrerin ähnelten, und dann fiel es ihm wieder ein. Er blickte sich um, schlich zu dem Kopierer und holte die Perücke. Er öffnete den Reißverschluss und legte sie dem Skel aufs Gesicht.
Er warf Gary einen Leichensack zu, und der Mechaniker packte das gesichtslose Skel an den Füßen. Mark Spitz machte mit dem Marge weiter. Er schaute auf dessen schwarze Zähne. Sein Arm brannte noch von dem Angriff, obwohl das Fasergewirk seines Kampfanzugs den Druck weitgehend gedämpft hatte. Er wollte gar nicht sehen, wie sein Bizeps darunter aussah. Wahrscheinlich würde er eine Woche lang eine Kühlkompresse tragen müssen.
Die abgebrochenen Zähne des Marge ragten grässlich schief aus dem Zahnfleisch. Er dachte an das zerfallende Pfahlwerk am anderen Ufer. Letzten Monat hatten sie die großen Wohnkomplexe am Battery Park durchkämmt, jene tief in aufgeschüttetes Land gesenkte Saat von Bauten. An den Westseiten der Gebäude klebten Reihen von Terrassen mit Blick auf Jersey City. In der Woche, in der sie diese Siedlung bearbeitet hatten, war er zum Luftschnappen auf die Terrassen getreten und hatte auf die verwitterten
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