Zone One: Roman (German Edition)
auf den Dächern herum, schossen aufs Geratewohl den Broadway entlang und faulenzten ansonsten. Hier herrschte echtes menschliches Treiben, obwohl nur eine dünne Betonmauer sie von der Seuche und ihren gequälten Marionetten trennte. Die Welt zerfiel in das Ödland, das er so lang durchstreift hatte, und diesen Ort, wo es laut und grob, cool und geschäftig zuging, die vorderste Linie der neuen Ordnung. Er stellte seine Gereiztheit wegen der dürftigen Begrüßung hintan. Das ging schon in Ordnung.
Hinter der Tür zum Treppenhaus traf er auf den kontrollierten Wahnsinn einer in vollem Gang befindlichen Militäroperation. Er hatte zuvor schon auf den neuen Stützpunkten gedient und in den Wohnwagen der Ad-hoc-Hauptquartiere Befehle entgegengenommen, aber auf der Insel war es anders. Man kam sich vor wie in einer Stadt, als endete die Ordnung nicht am Elektrozaun, sondern schritte vorwärts und erstreckte sich jede Straße entlang und bis in jedes Gebäude. Hinter jedem öden Fenster und Straßeneingang war die Stadt zu wimmelnder Geschäftigkeit zurückgekehrt. Bald würde er es für selbstverständlich nehmen, wenn er, um Meldung zu machen, nach Wonton zurückkehrte, um eine Ecke bog und sich plötzlich auf belebten Straßen wiederfand. Im Flur quetschte er sich an Soldaten, Schreibkräften und Offizieren vorbei. Die Hierarchie musste er erst noch durchschauen. Hinter geschlossenen Türen quäkten und knisterten Funkgeräte. Piktogramme und Schilder an den Wänden schüchterten einen in Buffalos Lieblingsschriftart mit Hygienevorschriften und Vandalismusverordnungen ein. Den Rucksack in der Hand, stand er mitten im Strom und lauschte dem Stimmengewirr, aus dem einzelne Satzfetzen herausstachen. Lärm, herrlicher Lärm.
Drei Privates kicherten, während Mark Spitz blinzelnd im Gewühl stand, ein von den grellen Lichtern der Großstadt benommener Hinterwäldler. Er trug eine alte SWAT -Uniform, die er in Bridgeport, im verfluchten Connecticut, aus dem Spind einer Polizeistation genommen hatte. Außer Dienst trugen die Zivilisten, die im Nordöstlichen Korridor arbeiteten, alte Cop-Klamotten, damit man sie von den regulären Army-Angehörigen unterscheiden konnte, als reichte ihr allgemeines Auftreten und ihre Haltung nicht schon aus. Er hatte die Uniform im Lauf der Monate da und dort mehr schlecht als recht geflickt. »Hey, du hast eine Stelle vergessen«, johlte einer der Soldaten, der damit den üblichen Witz über die Sweeper riss. Von wegen Besen. Mark Spitz kannte ihn schon.
Fort Wontons Nervenzentrum war eine ehemalige Bank. Im Zuge der unvermeidlichen Konsolidierungen, Auflösungen und Übernahmen hatten die Besitzer im Lauf der Jahre mehrfach gewechselt, aber das Gebäude stand noch, eine winzige Granithütte inmitten des hemmungslosen Hochhausbaus, der in den letzten hundert Jahren downtown stattgefunden hatte. Von den Büros aus überschaute man die Hauptkreuzung an der Mauer, Broadway und Canal Street.
Ein Soldat, der einen Stapel Ordner trug, pfiff. »Bist du Spitz?«
Fabio führte Mark Spitz zu dem Büro. Als er sah, wie sein neuer Schützling beim plötzlichen Geknatter von Maschinengewehrfeuer zusammenzuckte, sagte er: »Zurzeit kommen sie normalerweise in drei Wellen. Ziemlich regelmäßig, deshalb nennen wir es Frühstück, Mittag- und Abendessen.« Die Artillerie steigerte sich zu einer kurzen Salve. »Das da«, sagte Fabio, »ist das Mittagessen.«
Das Büro des Lieutenants hatte Fenster nach Osten und Norden; vielleicht hatte es früher einmal einen kräftigen Schwall Morgenlicht abbekommen, aber die Wolkenkratzer und der Umstand, dass die Sonne sich nur widerwillig in der Zone blicken ließ, hatten diesem Phänomen ein Ende gemacht. An den Wänden hingen Karten von verschiedenen Teilen der Zone, bedeckt mit unverständlichen Zeichen in unterschiedlichen Farben, und angesichts der alten, lackierten Schreibtische kam sich Mark Spitz vor, als hätte er sich in einen Einsatz im Zweiten Weltkrieg, auf einer anderen Insel im Pazifik, verirrt. Die Räume waren vier Meter hoch, und die großen Halbmondfenster zeigten die Mauer. Eine Soldatin mit Pferdeschwanz schlenderte träge über das Gerüst, den Blick auf jemanden oder etwas gerichtet, das sich auf der anderen Seite am Fuß der Barrikade befand. Sie gab rasch einen Schuss ab, schüttelte sich wie ein nasser Hund und reckte sich.
In der Knechtschaft der PABS verhielten die Leute sich unterschiedlich. Laut Herkimer war jeder gezeichnet. Jeder,
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