Zone One: Roman (German Edition)
aber dann fällt ihnen etwas auf. Jeden Tag sind mehr Skels an der Mauer. Die Marines mähen sie nieder – Sie haben die MG s beim Reinkommen gesehen. Aber trotzdem. Die richtige Bewaffnung ist nicht das Problem. Alles fragt sich: Was zum Geier?
Schließlich findet eine große Besprechung statt, und zwar gleich hier den Flur runter, General Carter fliegt aus Buffalo ein und will wissen, was da los ist, wo die alle herkommen. Es sind nämlich zu viele, als dass sie bloß von Uptown kommen können. Dann fragt einer von den hellen Jungs: ›Ist es vielleicht möglich, dass sie die George Washington Bridge benutzen?‹ Als würden sie von Jersey aus pendeln. Da geht ihnen ein Licht auf. Die haben oberhalb der Canal Street nicht dichtgemacht. Der ganze Scheiß ist immer noch sperrangelweit offen. Der Lincoln Tunnel, die George Washington Bridge, Triborough, der ganze Kram. Schlicht und einfach vergessen. Die ganzen Skels kommen auf Besuch in die Stadt, wie sie’s gemacht haben, bevor die ganze Scheiße passiert ist. Lassen sich im Reisebus zu einer Broadway-Matinee kutschieren.«
»Wow.«
»Aber inzwischen ist das Army Corps nach Baltimore abgerückt, zu diesem verrückten Scheiß, den die sich dort ausgedacht haben, und wir kriegen monatelang nicht die Manpower, um Uptown zu blockieren. Die Marines sind auch woanders im Einsatz. Verrückt. Buffalos Einstellung ist: Lasst die Sweeper ihren Kram machen, und wir beheben diese kleine Panne, wenn wir mit Zone Two anfangen. Früher hätte es bei so was ein Kriegsgerichtsverfahren gegeben, aber der gute alte Tattinger, der Kerl, der für diesen Riesenschlamassel verantwortlich ist, hat sich eine Woche später das Gesicht wegfressen lassen, und damit hatte sich das dann wohl erledigt.« Er schüttelte den Kopf. Mühsam, als müsste er einem Muskel nach dem anderen den Befehl dazu geben. »Sie müssen mich übrigens nicht mit ›Sir‹ ansprechen. Sie sind Zivilist. Wir arbeiten für euch, obwohl das einige hier anscheinend vergessen haben.«
Das bedrohliche Krachen von Schüssen unterbrach ihn. Er redete einfach weiter. »Haben Sie viel Erfahrung mit Irrläufern?«, fragte er. »Das da draußen im Korridor war nicht Ihre Kragenweite.«
»Genauso viel wie jeder andere. Geht gar nicht anders, wenn man da draußen ist. Draufhalten und ausschalten.« Diese eingängigen Sprüche.
»Wo hatten Sie Ihren ersten?«
Die Frage überraschte ihn. Niemand stellte solche Fragen. Mark Spitz hatte das widerliche Connecticut durchstreift. Hinter einer halbfertigen Wohnsiedlung befand sich eine Wiese, die von Bulldozern aufgewühlt war, um Platz für eine zweite Häuserlinie zu schaffen. Auf der anderen Seite des Feldes verlief ein Highway in Nord-Süd-Richtung, und das war an diesem Tag seine Aufgabe, es auf seiner Karte ein paar Schritte weit zu schaffen. Er sah den Mann mitten im Dreck stehen. Zuerst hielt er ihn, weil er so reglos dastand, für eine Vogelscheuche, obwohl seine Haltung nicht der bei einer Vogelscheuche üblichen entsprach und das hier auch keine Farm war. Der rechte Arm der Gestalt war himmelwärts gestreckt. Mark Spitz wartete darauf, dass sie sich bewegte. Er ließ seinen Blick über das Gelände wandern, dann versuchte er, den Mann in jenem schwachsinnigen Bühnenflüstern, das er in der Anfangszeit häufig benutzte, auf sich aufmerksam zu machen. Wenn es ein Skel war, würde er es töten; er sah in der Umgebung keine weiteren. So lautete die Regel: Lass sie, wenn es irgend geht, nicht zurück, damit sie niemand anders anstecken können.
Er ging langsam auf ihn zu. Er war in einer Baseballschläger-Phase und umfasste den Griff seines Schlägers fester. Bei der Gestalt handelte es sich um einen ausgemergelten älteren Mann in rotem Polohemd und Khakihose. An seiner Hand hing eine Schnur, die zu einem ramponierten Kastendrachen führte, der, seinem Aussehen nach zu urteilen, ein ganzes, schwieriges Stück weit gezogen worden war. Stand der Mann unter Schock? Mark Spitz wusste nicht, ob Unterernährung oder die Seuche den Mann so hatte schrumpfen lassen. Eigentlich wollte er es auch nicht wissen. Pro forma schüttelte er das Ding an der Schulter. Er hatte seinen Anteil an verkrüppelten Überlebenden zurückgelassen. Man konnte nicht jeden retten.
Der Verstand des Mannes war ausgelöscht worden. Er rührte sich nicht, als Mark Spitz neben seinem Ohr mit den Fingern schnipste, zuckte angesichts der Schallreize nicht mit der Wimper. Sein Blick, wenn etwas derart Ödes
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