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Zone One: Roman (German Edition)

Zone One: Roman (German Edition)

Titel: Zone One: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colson Whitehead
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überhaupt so genannt werden konnte, war auf eine Leere über dem Horizont gerichtet. Jegliche Aktivität, jeglicher Vorgang in ihm zielte darauf ab, diesem Fleck am Himmel irgendeine nicht wahrnehmbare Botschaft zukommen zu lassen. Mark Spitz schüttelte ihn an der Schulter, darauf gefasst, falls nötig, wegzuspringen. Was sah der Mann dort?
    Er ließ ihn auf dem Feld stehen. Dann war es wie früher, wenn er irgendeiner rasant sich ausbreitenden neuen Mode begegnete, einer neuartigen Jacke oder einer komplizierten Frisur: Er begann sie überall zu sehen, wie sie geduldig an einer Bushaltestelle saßen oder ein Blatt gegen die Sonne hielten oder auf der Wiese standen, wo sie als Kinder gespielt hatten, bevor sie erwachsen geworden, bevor die Bulldozer gekommen waren. Als er einer Gruppe gegenüber, der er sich für kurze Zeit anschloss, von diesen Kreaturen sprach, nannten sie ihm den Begriff Irrläufer. »Die sind komplett abgedreht.«
    Mark Spitz erzählte eine Version dieser Geschichte dem Lieutenant, der sich skeptisch über das Kinn strich. »Buffalo versucht immer noch zu erklären, wieso der eine zum normalen, nervigen Skel wird«, sagte der Lieutenant, »und der andere zu einem Irrläufer. Dieses eine Prozent. Buffalo ist nicht gerade bekannt dafür, dass es irgendwas erklären kann. Wieso die so lange rumlaufen und sich einfach von ihrem eigenen Körper ernähren können. Wieso sie nicht verbluten. Buffalo erzählt einem, die Seuche verwandelt den menschlichen Körper in das perfekte Vehikel zur Verbreitung von Kopien seiner selbst. Vielen Dank für die Info. Aber was ist mit dem abweichenden einen Prozent los?«
    Mark Spitz sagte: »Ich weiß es nicht.« Er hätte selbst ein paar Fragen beisteuern können. Wie kam es, dass die Irrläufer bei jedem Wetter auf ihrem Posten verharrten? Ob heißester Tag des Jahres oder Monsun, sie standen da, stinkend und ohne etwas wahrzunehmen. Gefangen in einem Netz.
    »Das sind Defekte«, sagte der Lieutenant. »Sie tun nicht, was sie sollen. Kennen Sie diesen supergeheimen Bunker in England? Die Jungs dort sind das einzig Wahre, drei Nobelpreisträger mehr zur Verfügung als Buffalo. Die haben dieses Ding studiert, sich die Mikrobe genau angekuckt, sie aufgeschnitten, und alles, womit sie angeschissen kommen, ist, dass die Irrläufer Defekte sind. Kein Mensch weiß irgendwas.«
    Mark Spitz sah am Rand seines Blickfeldes sich etwas bewegen. Vor dem Fenster hatte es in trägen Flocken Asche zu regnen begonnen.
    Der Lieutenant sagte. »Wenn Sie’s rauskriegen, sagen Sie mir Bescheid. Ich persönlich mag die Dinger. Darf man eigentlich nicht laut sagen, aber ich glaube, die liegen richtig, und wir sind die neunundneunzig Prozent, die komplet falsch liegen.« Er wartete darauf, dass Mark Spitz sich vom Fenster abwandte. Er klopfte auf seinen Schreibtisch, schlug einen leichteren Ton an, und der neue Sweeper wandte sich ihm wieder zu. »Wer weiß? Vielleicht funktioniert sie ja. Die Symbolik. Wenn man New York wieder hinkriegen kann, kann man die ganze Welt wieder hinkriegen. Zone One säubern, dann die nächste, rauf zur Fourteenth Street, Thirty-fourth, Times Square und immer weiter. Diese tollen Busstrecken quer durch die Stadt. Ich habe jedes Mal den Bus genommen, als ich hier gewohnt habe, um die berühmten New Yorker Gestalten in all ihrer Pracht zu sehen. Spuckend, kratzend, wirre Reden schwingend. Die, nicht ich.« Er schlug nach einer dicken Fliege. »Wir erobern sie zurück, Barrikade um Barrikade. Sagen Sie, Mark Spitz, sind Sie für Ihre optimistische Einstellung bekannt?«
    »Klar.«
    »Habe ich gleich gemerkt.« Der Lieutenant lächelte. »Die Mauer da draußen muss einfach funktionieren. Die Barrikade ist die einzige Metapher, die in dieser Schweinerei übriggeblieben ist. Das letzte Aufrechte. Hält das Chaos draußen und die Ordnung drin. Das Chaos klopft an die Tür, hämmert an das Holz und schafft es, sich festzukrallen. Werden die Bretter bis zum Morgen halten? Sie wissen, wovon ich rede, wenn Sie es bis hierher geschafft haben. Es gibt kleine Barrikaden – vor der Wohnungstür, dann ein ganzes verrammeltes Haus –, und dann haben wir die größeren Barrikaden. Das Camp. Die Siedlung. Die Stadt. Wir arbeiten auf größere Mauern hin.« Von der anderen Seite des Raums her versuchte Fabio, ihn auf sich aufmerksam zu machen, aber der Lieutenant wies ihn mit einem Schlenker seiner Hand ab. Nach dem Gesichtsausdruck des Gehilfen zu schließen, war er an die

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